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Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Marcius.

Messala. (Da er den Marcius erblickt.)
Entsetzen! – Frevel! – Fluch! – du, Rasender,
Du Marcius? – Zurück! ein nährer Schritt
Ist Tod! Schreckt nicht die Heiligkeit des Orts,
Schreckt Brutus Gegenwart Verbrecher nicht?

Brutus.
Mein Elend hat die fürchterlichste Höh
Nunmehr erreicht: Ich seh den Marcius –
O Tod! verhüll den Anblick mir! – du kömmst,
Frolockender Verbrecher, im Triumph,
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Mein Sieger, her, du kömmst, mit Banden mir
Zu drohn. – Vergebens! Brutus wird, dein Sclav
Zu seyn, von Göttern nicht gehaßt genug.
Mein Tod –

Marcius.
Ich komme nicht als Sieger, nicht
Erhitzt vom Stolz der Schlacht; ach! Marcius
Ist statt der Rachbegier ganz Reue, ganz
Verzweiflung! Sieh in mir den reuigsten
Verbrecher, voller Durst, sich selbst vor dir
Zu strafen.

Brutus.
Hoffe nichts! Fruchtlose Red
Versöhnet nicht die Frevel dieses Tags.
Den kühnen Gang hast du zu mir gewagt:
Sey jetzt dafür gestraft. Im Donner will
Ich mit dir reden, Niedriger? Mein Wort
Soll, gleich der Hölle Strömen, bang dein Ohr
Durchrauschen. – Kenne dich: – du bist mein Sohn!
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Und diese Wunde hier, sie ist mein Tod! –
Du starrst? – du ringst mit Zweifeln? – ja, du bists!
Zu deiner Schmach und meinem Fall, erhielt
In Mutina dein Leben Publius,
Und ließ mich einen Tod beweinen, der
Mir nun ein Segen wäre. –

Marcius.
Ja, ich bins.
Die Strafe fühl ich schon, die einzige,
Die meiner Frevel werth, und eben so
Wie sie unmenschlich ist: Ich bin dein Sohn,
Ich bin ein Vatermörder! – Tag, der mir
Der erste war, dir fluch ich! sey der Nacht
Des Schreckens gleich, die meine Seel' umhüllt!
Sey furchtbar, tödtend, ein Gebärer stets
Von Vatermördern, und von Publiern! –
Was zögert die Vernichtung noch? Was nützt
Mir dieses Daseyn, dieser Fluch? Erhört,
Mich, Götter! – Doch ihr seyd für mich nicht mehr:
Ihr Furien! Entsetzen! Höllenpein!
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Verzweiflung! ihr, ihr meine Götter, kommt!
Wohlthätig löscht mich aus der Wesen Reich',
Und segnet mich mit dem vollendeten
Verderben!

Brutus.
Richtend schwebet über dir
Der Arm der Götter. – Und dein Vater muß
Es sehn, Unwürdiger! und muß dem Grimm
Der Götter danken, die an seinem Sohn'
Ihn rächen.

Marcius.
Ach! so schwer, so tödtend mir
Dein Haß ist, so gerecht ist er. Ja, ruf,
Ich bin es werth, ruf die entsetzlichsten
Gerichte wider mich entrüstet auf! –
Doch wüßtest du, ehrwürdger Held! wie sehr
Mein hingerißner Geist der mächtigen
Verführung widerstrebt, wie mein Tyrann,
Bewaffnet mit der heiligen Gewalt,
Die die Natur den Vätern giebt, und eh
Nicht siegt', als bis er mich mit drohendem
Verbrechen überall belagert hielt,
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Und mir allein die Wahl des Abgrunds blieb,
Der meinen Fall empfieng; du würdest selbst
Mitleidig dem Verlohrenen den Arm
Der Rache leihn.

Brutus.
Ich könnte dir verzeihn,
Wär dein Verbrechen nur mein Untergang;
Doch daß du in das Herz des Vaterlands
Den Stahl, den Mörder stießest; dieß verzeihn,
Beleidigte das Grab des hohen Roms.

Marcius. (der sich ihm zu Füssen wirft)
Du stirbst, und lüstern wartet schon auf mich
Der Abgrund. Mein Gericht verlang' ich nicht
Zu fliehen. Ich begehre nicht von dir
Verzeihung; würdge nur mich eines Blicks,
Der Mitleid spricht. Er würde Trost für mich
Auf eine Qual von Ewigkeiten seyn.

Brutus.
Entflieh, Verwegener! zerreiß nicht mehr
Dieß Herz, in welchem du so mächtig einst
Geherrscht. – Entflieh, und fürchte diesen Arm,
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Vom Blut der Frevler roth! So sehr ihn schon
Der Tod entwaffnet hat; so könnt' er doch
Bey deinem Anblick schnell zu neuer Kraft
Verjüngt, Verderben auf dich schleudern, dann,
Stolz auf dieß letzte Werk, ein Sieger, ruhn.

Marcius.
Es sey! vollführ du selbst die Straf' an mir!
Voll Ehrfurcht streck ich dir dieß schuldge Haupt
Entgegen. – Nur zuvor laß Einen Blick –
Ich wiederhole den verwegnen Wunsch –
Bedauernd dem Verworfnen stralen! – Ach!
Mein Vater! – Ob bey diesem Namen gleich
Erhöhte Pein durch meine Seele fährt,
Doch wag' ich ihn: Mein Vater! Siehe mich!
Sieh diese Thränen, die dein heilig Knie
Benetzen! Ja, sie weint ein Frevelnder:
Jedoch sie weint ein Sohn. – wend' ihn nicht weg
Den Blick, der sich versöhnen will. Sey mir,
Nur einen Augenblick sey Vater! – dann
Sey Richter stets, stets furchtbar deinem Sohn!

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Brutus.
Vergebt, ihr Götter meines Volks! du Zeus!
Du heilige Gerechtigkeit! vergebt,
Wenn Brutus jetzt, erweicht, bezwungen, schwach,
Nicht Römer ist. – Steh auf, Unglücklicher! –
In einem Augenblick des Grausens, seh
Ich dich als Sohn. – Die Götter wollen es. –
Umarme mich. Du hast mein Mittleid. Ach!
Sie sagen dir, die Thränen sagen dir,
Wie sehr ich Vater bin.

Marcius.
Mit Zärtlichkeit
An die durch meine Schuld durchbohrte Brust
Gedrückt? – in meines Vaters Arm? – laß mich
Dich fliehn! Dein Leben strömt verschwendrischer
Aus dieser Wunde, da dein Mörder sie
Berührt.

(Man hört ein großes Geräusch)

Messala.
Die Feinde nahn. So jauchzt der Sieg!
So ist der Ueberwinder Gang.


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