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Friedrich Schlegel: Herkules Musagetes [1801]. Hrsg. v. Armin Erlinghagen. In: Euphorion 97 (2003), S. 194-197.

[Zum Kontext und zu den Gründen für diese Neuedition, die der unzureichenden Wiedergabe des Gedichts in der KFSA widerspricht und diese ersetzt, siehe: Armin Erlinghagen: Poetica in nuce. Friedrich Schlegels poetologisches Vermächtnis: die Elegie Herkules Musagetes. Historisch-kritische Ausgabe / editorischer und exegetischer Kommentar. Erster Teil. In: Euphorion 97 (2003), S. 193-234. – Vielen Dank an A. E. für die Hinweise und die Ermunterung, den wiederhergestellten Text hier zu präsentieren (notabene, im »Euphorion« erfolgt die Wiedergabe des Textes vollständig kursiviert; auf die Kursivierung wird in dieser Online-Version verzichtet). F. F.]

<Seite 194:>

Herkules Musagetes.

Opfre dich selber zuvor und alles was sterblich der Muse,
  Freudig im flammenden Tod fühlend den göttlichen Geist.
So hab' ich frühe gedacht und werde ja fürder so denken:
  Denn wie reute den Mann, was er so männlich beschloß?
Schamlos mehret die Bücher, die schon im Druck sich erdrücken,
  Tinte vergießend das Volk, immer noch thätig um Nichts.
Aber was schadet es viel? Ja wenn auch der Laie, der Sinn hat,
<Seite 195:>
  Weg sich wendend vom Lärm alles zusammen verdammt,
Seh ich gelassen es an: denn ich weiß ja die alten Geschichten,
  Wie es auch ehedem war, immer das Schöne verkannt.
Stelle mir selbst gegenüber den Mann, der gerüstet zum Kriege
  Höher den blinkenden Stahl als die Triumphe noch ehrt.
Ja, ich sehe den Stolz in der Brust und wie alles ihn nichts dünkt,
  Freudig die Fahne ihm fliegt, Thaten an Thaten gedrängt:
Denn ich empfinde des Herrlichen herrliches Loos und beneid' es,
  Hätte wohl selber wie gern rasch mit dem Leben gespielt,
Selber vom Auge, das lächelnd dem Freunde jetzt Freude nur leuchtet,
  Muth der muthigen Schaar, Schrecken dem Feinde geblitzt.
Andres beschlossen die Götter und willig nehm' ich mein Schicksal,
  Trotz dem adlichen Neid froh und zufrieden im Muth.
Nein, es verwirret mich nicht, daß so Göttliches da noch vorhanden,
  Ach in jenem Bezirk, der mir auf ewig versagt.
Nur wenn den Schutz den erbärmlichen gnädig die Herrscher uns reichen,
  Regt in der Brust sich der Grimm, von uns zu werfen die Schmach.
Besser wir bleiben für uns im Dunkel gehaßt und verachtet,
  Als im ekeln Gemisch Hohes und Niedres zu sehn.
Wahrlich und wäre die Kunst ein Dendrit nur von besserem Leben,
  Spräch ich: Wachse denn fort, wie die Natur dir gebeut,
Trauend im Innern der bildenden Kraft, die wohl einst noch den Lichtpunkt,
  Den der Wurm hier verlacht, strahlend zur Sonne verklärt.
Kühn drum wandl' ich auf einsamer Spur doch kundig des Weges,
  Achte nicht auf den Staub folgend dem hellen Gestirn.
Klar erkenn' ich mich selbst und klar das ganze Verhältniß,
  Alle die Häupter der Zeit, mitten im Kampf und am Ziel.
Lessing und Goethe, die haben die Bildung der Deutschen gegründet,
  Würdiger Quell warst Du, heiliger Winkelmann, einst!
Was den beiden entrissen die Parce, das gab sie dem einen,
  Kränzet die freundliche Stirn reichlich mit ewigem Grün.
Göttlich bewußtlos vernichtend, so kamest Du, Fichte! von oben,
  Blitztest mitten ins Volk, bald dann in Wolken verhüllt.
Anmuth gab Dir der Gott und den Tiefsinn künstlicher Dichtung,
  Tiek, erfindsamer Freund. Werke verkünden Dich laut,
Und wohl schiene bestochen mein Lob, als rühmt' ich den Bruder,
  Der im gediegenen Styl kunstreich die Farben vermischt,
Rührende Trauer und Schönheit verwebt in der herzlichen Klage.
  Treue Pilaster der Kunst, seid mir Poeten gegrüßt!
Beide entzünde vereint denn der Dichtkunst blühende Iris,
  Bis der leuchtende Glanz freudig die Erde umspannt!
Euch, ja nur Euch verdank' ich des alten Wunsches Erfüllung,
  Daß nun melodische Kraft brausend der Lippe entströmt.
Heiliger brannte die Flamme noch nie vom reinen Altare,
  Als mir tief in der Brust glüht das erhabene Herz;
Und die so leicht wohl befriedigt der kleinen Vollendung sich freuen,
  Alle wieg ich sie auf durch die erfindende Kraft.
Nur an der Sprache gebrach es, wenn Ihr sie nicht endlich gegeben,
  Denen Aurora wohl selbst himmlische Farben verlieh,
Nachzubilden die kindlichen Spiele im Tiefsten der Seele.
<Seite 196:>
  O wie gesteh ich so gern, daß ich der Freunde bedarf!
Denn in den Freunden nur leb' ich, verbunden auf ewig mit jenen,
  Die ich dankbar genannt, göttlicher Ritter! mit Dir
Eins zu werden gesinnt, wie ich schnell Dich liebend umfaßte
  Redner der Religion, früher Novalis! auch Dich.
Fester umarm' ich Euch stets, und so laßt mir die Flammen gewähren;
  Denn nicht Liebe allein schlägt ja in männlicher Brust.
So wie die Guten erkenn' ich die Schlechten; verschmähend die Menge
  Wählt' ich die Stärkeren gern tödtend mit löblichem Haß.
Manchen schon traf ich, der innerlich faul, und es hat sich bestätigt,
  Mancher ist tückisch gesinnt, dem ich die Larve zerbrach.
Sieben weiß ich, die ehret der Pöbel, für den sie auch gut sind;
  Nur daß der Beßre sich täuscht, reizt mich zu heiligem Zorn.
Redlich wurden die Kleinen geneckt, die ich auch nicht verschonte:
  Daß das Gesindel mich haßt, hab' ich ja wahrlich verdient.
Dennoch ist freundlich mein Sinn, und wie hab' ich freudig vernommen,
  Was nur der Genius sprach, oft noch von keinem erkannt?
Ja willkommen sind alle, die nur empfänglich sich zeigen;
  Aber so redlich Ihrs meint, höret das einzige Wort:
Freudig durchdringe Euch rasch, was die herrschenden Geister gebildet,
  Nur bei den Wunden des Herrn, macht doch nicht alles gleich nach!
Auf und vernehme denn jeder die muthigen Lehren in Kürze,
  Die mich das Leben gelehrt, Wahrheit und Liebe geweiht:
Willst Du leben der Kunst, so könne dem Leben entsagen,
  Was dem Volke so scheint, fliehen wie langsamen Tod.
Wahrheit wolltest Du geben, zurück nur behalten die Liebe?
  Wenn Du nicht beide verbrennst, ist es noch dunkel in Dir.
Nicht nach dem Zweck und der Wirkung frag' und dem äußern Verhältniß,
  Sondern von innen heraus bilde für sich nur das Werk.
Ehre die marmornen Männer; denn löblich sind sie von Ferne:
  Doch wenn Du glühend Dich nahst, friert auf der Lippe das Wort.
Siehst Du wo Liebe verborgen, so hauch ihr flammende Nahrung,
  Daß der freudige Keim wachse zum Göttergebild.
Nicht den Schwächeren wähle zum Freund Dir, um weichlich zu ruhen:
  Sondern wer gleich Dir an Geist kräftig Dich regt und ergänzt.
Bücher verschlingend, wie Cato der strenge bei nächtlicher Lampe,
  Dräng' der Jahrhunderte Mark mächtig zusammen in Dir.
Wie nach dem Golde im Schacht unermüdlich der Grabende suchet,
  Grabe Du tief in das Buch, bis Du gefunden den Kern.
Jegliches werde zur Kunst Dir, gebildeter was Du berührest:
  Wem das kleinste zu klein, dem ist auch großes zu groß.
Ja auch das Werk, das theuer erkaufte, es bleibe Dir köstlich;
  Aber so Du es liebst, gib ihm Du selber den Tod,
Haltend im Auge das Werk, das der Sterblichen keiner vollendet:
  Denn von des Einzelnen Tod blüht ja des Ganzen Gebild.
Lange schon kanntest den Stoff Du, den einen, deß Fülle unendlich;
  Fasse nun auch ins Gemüth dieses Geheimniß der Form:
Kennst die bewegliche Drei Du noch nicht und der Viere Gebilde,
  Wahrlich, so wollt' es der Gott, findest Du nimmer die Eins.
Schaust du geschwungen die Bahn hinaus sich verlieren ins Weltall?
<Seite 197:>
  Wer, was unendlich sie treibt, kennt und die doppelte Kraft,
Mag im gefälligen Kreise noch schöner vollenden das Ganze;
  Ist ja in jeglichem Kreis zwiefach die Mitte und eins.
Leis' auch entfaltet der Keim sich, es wachsen die Blätter und Zweige,
  Bis der farbige Kelch liebend in Feuer sich schmückt.
Nur in des Lichtes Gestalt, das so golden die Sonne uns sendet,
  Hüllt sich blüthenbekränzt kindlich das innere Licht.
Wurde Dir Blume die Welt, Du selbst nur ein leuchtender Spiegel,
  Fühlst Du ewig das Grün frisch in lebendiger Welt,
Ahndest von muthigen Wogen umflossen denn bald das Geheimniß,
  Wie das gegliederte All zeugendem Wasser entsprang,
Siehst die Natur im freudigen Thier und im Ringen der Wollust,
  Siehst das schwellende Herz trunken von heißerem Blut;
Und es ergreift, weil Du schauest die Gottheit, die süße Begier Dich,
  Göttlich zeugend das Werk ähnlich zu bilden dem All.
Seelig der Mann, der so großes zu denken vermag und zu bilden,
  Welches zu deuten ja kaum sterblicher Sprache vergönnt.
Ihm wird jegliche Form und alle Gewächse sein eigen,
  Sinnreich kann er sie leicht bilden zur schönen Gestalt,
Höher die Formen verbinden zur Form in leichtem Gewebe,
  Ewig die Spiele erneun, künstlich verschlungen in Eins.
Wirket denn, Freunde, mit fröhlichem Muth; und zum Garten der Musen
  Wandelt herkulische Kraft noch die germanische Flur.

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