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*m*: Der Reisende Alexander v. Humboldt. In: Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Hrsg. v. J. W. v. Archenholz. 3. Bd.: July, August, September. Hamburg 1803. S. 538-542.

[Diese Transkription beruht auf den vom Projekt »Retrospektive Digitalisierung« eingescannten Seiten. Das Original-Layout ist hier einsehbar.]

6.

Der Reisende Alexander v. Humboldt.

»Man war seit einiger Zeit über das Schicksal des berühmten Reisenden Alexander v. Humboldt bekümmert, der mit so viel Nutzen das mittägige America bereiset. Nach einem verbreiteten Gerücht hieß es, daß er mit einem spanischen Schif, das auf der Fahrt von Acapulco nach Manilla untergegangen, Schifbruch gelitten hätte. Allein das Publicum ist durch einige Briefe von ihm beruhigt worden, die sein Bruder, der jetzige preußische Resident in Rom, erhalten hat. Der Reisende hatte schon seit anderthalb Jahren den ehemahls gemachten Plan, die Philippinischen Inseln zu besuchen, aufgegeben. Sein letzter Brief ist aus Lima, vom 25sten November 1802. Zu der Zeit war sein Vorsatz durch Mexico und über die Havana zurückzureisen, und nach seiner Berechnung glaubte er im September dieses Jahres, in Cadix, oder in Corogna zu sein.

Man kann nicht ohne Erstaunen die Erzählung von den Mühseligkeiten lesen, die Humboldt und sein Reisegefährte Bonpland bey ihren Wanderungen auf den Cordillieren ausgestanden haben. Die fürchterlichsten Regengüsse, das Auswerfen der Volcane, die Ueberschwemmungen, die Erderschütterungen, nichts konnte sie jedoch aufhalten. Humboldt drang allenthalben vor; er sondirte den Crater der Volcane, maaß die Höhe der Berge, und analysirte die von ihren Gipfeln mitgebrachte Luft. Oft wenn er sich auf diesen furchtbaren Höhen befand, wohin die Eingebohrnen ihm nicht zu folgen wagten, kam ihm das Blut aus den Lippen, aus dem Zahnfleisch und aus den Augen. Er bestieg nicht allein die drey großen feuerspeyenden Berge, den Pichincka [Pichincha], den Antisana und den Kotopoxi [Cotopaxi], sondern er erkletterte auch den höchsten Berg der Erde, den Chimborazo. Er hat alles gesehn, was vor ihm Bouguer und la Condamine beschrieben haben; er hat ihre Bemerkungen berichtigt, und da er weiter kam, wie diese berühmte Reisende, so hat er noch viele neue Bemerkungen gemacht.

Der Zustand des Landes hat seit dem schrecklichen Erdbeben vom 4ten Februar 1797 Veränderungen erlitten. Von Zeit zu Zeit empfindet man noch jetzt neue Erdstöße; dabey hört das Geräusch der unterirdischen Feuer gar nicht auf; so wie auch das Geprassel mehrerer Volcane, die man lange ausgelöscht zu seyn glaubte, die aber noch immer Rauch auswerfen. Mitten unter diesen Gefahren, zu Quito so wie zu Neapel, überläßt man sich ohne Besorgniß den Vergnügungen, und man scheint zu vergessen, daß der 4te Februar 1797 in dieser Provinz 40,000 Menschen umkommen sah. Eine traurige Folge eben dieses Erdbebens ist auch, daß es die Temperatur der Luft verändert hat, die jetzt ziemlich kalt ist, selbst in den Ebenen. Die Berge betreffend, so weiß man, daß sie mit ewigem Eise bedeckt sind. Man sieht hier auch keine Spur von Vegetation, als kleines Mooß. Kein lebendiges Wesen darf sich nicht einmahl auf den Chimborazo zeigen, und nur auf seinen etwas weniger hohen Gipfeln war es, daß unsre Reisenden über ihren Köpfen den ungeheuren Condor fliegen sahen,

Zu Liobamba [Riobamba] hat Humboldt sehr interessante, zu der noch unbekannten Geschichte der alten Bewohner dieses Theils von America gehörenden Manuscripte entdeckt. Sie waren von der Hand eines der alten Landesbeherrscher, eines peruanischen Inca, und in einer seit langer Zeit todten Sprache abgefaßt. Ein anderer Inca übersetzte sie ins Spanische, und einer seiner Abkömlinge, der jetzige König von Lincan, theilte sie unsern Reisenden mit, die daraus höchst merkwürdige Dinge aufgezeichnet haben.

Humboldt urtheilt im Allgemeinen viel günstiger wie seine Vorgänger, von den Kenntnissen dieser Indianer, von dem ehemahligen Zustand ihrer Wissenschaften und ihrer Künste, besonders aber von der Schönheit und dem Reichthum ihrer Sprachen. Er hat deren mehr als eine während seinem langen Aufenthalt in dieser Weltgegend gelernt, und sein richtiges Urtheil ist bekannt. Seine Rückkehr nach Europa und die Bekanntmachung seiner Reisen, müssen von allen aufgeklärten Menschen lebhaft gewünscht werden.«

*m*

Nachschrift des Herausgebers der Minerva.

Seitdem obiges geschrieben war, sind wieder von diesem so interessanten Reisenden Briefe unterm 29sten April 1803 aus Mexico eingegangen, die seine noch ausgesetzte Rückreise nach Europa melden; sowohl weil eine bösartige Krankheit zu Vera Crux und Havanna herrscht, und er diese Oerter paßiren muß, als auch wegen der in jenen Weltgegenden wüthenden Herbststürme. Nach diesen Briefen, die man uns hoffentlich, so wie die erstern, mittheilen wird, denkt Humboldt nun erst im May 1804 nach Europa zurückzukommen.

v. A.


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