⚠️ Diese Seite wird demnächst überarbeitet, da sich einige neue Erkenntnisse ergeben haben und das Werther-Gedicht und die Dramen mittlerweile zwei verschiedenen Autoren zugeordnet werden können (Carl Ernst von Reitzenstein [1733–] bzw. Carl Philipp von Reitzenstein [1764–1813]). Die ursprüngliche hier verfügbare Materialsammlung war noch davon ausgegangen, dass es sich um denselben Autor handeln könnte.
Der Stand der Website zwischen 2004–2021 findet sich archiviert im Internet Archive.
Frank Fischer
August 2021
(Kontakt bitte via Homepage)
Diese Webseite versammelt Material zu einem Schrifsteller, von dem nicht einmal die Lebensdaten bekannt sind. Zwischen Lotte bey Werthers Grabe (1775) – einem kleinen Gedicht, dem noch als Dokument der Werther-Wirkung Beachtung geschenkt wird – und dem Trauerspiel Graf Königsmark (1792) liegen fast zwanzig Jahre, in denen keine Veröffentlichung Reitzensteins bekannt ist. Es ist nicht einmal sicher, dass es sich bei beiden Reitzensteins um ein- und denselben handelt, auch wenn dies, etwa von Kerstin Timmermann (siehe unten Sekundärliteratur), suggeriert wird.
Frank Fischer
November 2004
Carl Philipp Caspar von Reitzenstein, 1764–? [im Zusammenhang mit der Reise nach Wien]
Carl Ernst von Reitzenstein [im Zusammenhang mit Lotte bei Werthers Grabe, 1775]
Carl Ernst Philipp von Reitzenstein [so ist der Verfasser in der Österreichischen Nationalbibliothek angegeben]
Klaus Rüdiger Scherpe: Werther und Wertherwirkung. Zum Syndrom bürgerlicher Gesellschaftsordnung im 18. Jahrhundert. [Anhang: Vier Wertherschriften aus dem Jahre 1775 in Faksimile.] Wiesbaden: Athenaion 21975.
Graf Königsmark. Ein Trauerspiel In Fünf Aufzügen. Wien: Stahel 1792.
Count Koenigsmark. A Tragedy, In Five Acts. Translated from the German of Charles Von Reitzenstein. By Benjamin Thompson. In: The German Theatre, Bd. 6 (1800), [3] Bl.
Gedichte des Freyherrn Dieterich Ernst Spiegel von Pickelsheim [1737–1789]. Hrsg. von Carl Freyherr von Reitzenstein. Wien: Stahel 1793.
(Vgl. dazu in der ADB, Bd. 35, Leipzig 1893, S. 159: "Die Sammlung seiner Gedichte wurde dort [in Wien] 1793 von Karl v. Reitzenstein herausgegeben, der ihn in jeder Beziehung hoch stellte, aber nicht persönlich gekannt hatte.")
Carl Philipp Caspar von Reitzenstein: Die Negersclaven. Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen. Jamaika [d. i. Wien: Schaumburg] 1793. 198 S.
Carl Ernst Philipp von Reitzenstein: Die Negersklaven (Negersclaven). Ein Trauerspiel in 5 Aufz. (Augsburg, Styx) 1794. 176 S.
[Carl Philipp Caspar Freiherr von Reitzenstein]: Reise nach Wien. Hof: Grau 1795.
Wurzbach 25, 267f.
Meusel-Hamberger 6, 304
Meusel-Hamberger 10, 467 [Nachtrag]
Kerstin Timmermann: Carl Freyherr von Reitzenstein: Die Negersklaven. In: Heide Hollmer; Albert Meier (Hg.): Dramenlexikon des 18. Jahrhunderts. München: C. H. Beck 2001. S. 248–249.
[Seite 193:]
Der
Teutsche Merkur.
Junius 1775.
I.
Gedichte.
Lotte
bey Werthers Grabe.
Ausgelitten hast du – ausgerungen
Armer Jüngling, deinen Todesstreit;
Abgeblutet die Beleidigungen,
Und gebüßt für deine Zärtlichkeit!
O warum – O! daß ich dir gefallen!
Hätte nie mein Auge dich erblickt,
Hätte nimmer von den Mädchen allen
Das verlobte Mädchen dich entzückt!
Jede Freude, meinen Seelen Friede
Ist dahin, auch ohne Wiederkehr!
Ruh und Glücke sind von mir geschieden,
Und mein Albert liebt mich nun nicht mehr
Einsam weil' ich auf der Rasenstelle,
Wo uns oft der späte Mond belauscht,
Jammernd irr' ich an der Silberquelle,
Die uns lieblich Wonne zugerauscht;
Bis zum Lager, wo ich träum' und leide,
Aengsten Schrecken meine Phantasie;
Blutig wandelst du im Sterbekleide
[Seite 194:]
Mit den Waffen, die ich selbst dir lieh.
Dann erwach ich bebend – und ersticke
Noch den Seufzer, der mir schon entrann,
Bis ich weg von Alberts finstern Blicke
Mich zu deinem Grabe stehlen kann.
Heilige, mit frommen kalten Herzen,
Sehn vorüber und – verdammen dich:
Ich allein, ich fühle deine Schmerzen,
Theures Opfer, und beweine dich!
Werde weinen noch am letzten Tage,
Wenn der Richter unsre Tage wiegt,
Und nun offen auf der furchtbarn Wage
Deine Schuld und deine Liebe liegt:
Dann, wo Lotte jenen süssen Trieben
Gern begegnet, die sie hier verwarf,
Vor den Engeln Ihren Werther lieben,
Und Ihr Albert nicht mehr zürnen darf:
Dann, o! dräng ich zu des Thrones Stufen
Mich an meines Alberts Seite zu,
Rufen wird Er selbst, versöhnet rufen:
Ich vergeb Ihm: O, verschone du!
Und der Richter wird Verschonung winken;
Ruh' empfängst du nach der langen Pein,
Und in einer Worten-Laube trinken
Wir die Seligkeit des Himmels ein.
[Seite 1:]
Lotte
bey
Werthers Grab.
Wahlheim,
1775.
[Seite 3:]
Ausgelitten hast du – ausgerungen
Armer Jüngling! deinen Todesstreit;
abgeblutet die Beleidigungen
und gebüßt vor deine Zärtlichkeit.
[Seite 4:]
O! warum? – O! daß ich dir gefallen! –
Hätte nie mein Auge dich erblikt!
hätte niemals, von den Mädchen allen,
das verlobte Mädchen, dich entzükt.
Jede Freude – meiner Seele Frieden
ist dahin! – auch ohne Wiederkehr.
Glük und Ruhe sind von mir geschieden
und mein Albert liebt mich nun nicht mehr.
Einsam wein ich, an der Rosenstelle,
wo uns oft der späte Mond belauscht,
Jammernd irr ich an der Silber Quelle,
die uns, lieblich, Wonne zugerauscht,
[Seite 5:]
bis zum Lager wo ich träum und leide
quälen Schrecken meine Phantasie.
blutig wandelst du im Sterbe=Kleide
Mit den Waffen – die – ich selbst – dir lieh;
dann erwach ich bebend, und ersticke
noch den Seufzer, der mir schon entrann,
Bis ich – weg von Alberts finsterm Blicke
Mich zu deinem Grabe stellen kann.
Heilige, mit frommen kalten Herzen,
gehn vorüber und verdammen dich;
Ich allein – ich – fühle deine Schmerzen
theures Opfer! und beweine dich –
[Seite 6:]
werde weinen, noch am lezten Tage,
wenn der Richter unsre Thaten wiegt
und nun – offen auf der furchtbarn Waage
deine Schuld und meine Liebe liegt;
Dann, – wo Lotten jenen süssen Trieben
gern begegnet die sie hier verwarf –
vor den Engeln ihren Werther lieben –
und ihr Albert nicht mehr zürnen darf
Dann – O! dräng dich zu des Thrones Stuffen
neben mich an Alberts Seite zu –
Dann – wird selbst versöhnt! versöhnt! Er rufen:
Ich vergeb ihm – Gott! verschone Du!
[Seite 7:]
Und der Richter wird Versöhnung winken.
Ruh empfängst du nach der langen Pein
und in jener Myrrthen-Laube, trinken
Wir die Seeligkeit des Himmels ein.
[Am Ende der Sammlung:]
Diese Sammlung wurde im 150. Jahre nach Erscheinen des Werther für die Mitglieder der Gesellschaft der Bibliophilen von F. A. Hünich herausgegeben. Die Druckvorlagen sind bis auf eine, der Preußischen Staatsbibliothek gehörige, der Sammlung Kippenberg in Leipzig entnommen. Die Verfasser der Schriften sind: K. W. Freiherr von Breidenbach, C. E. von Reitzenstein, H. G. von Bretschneider, J. H. Merck, A. Henselt, P. W. Hensler. Die Verfasser der "Trostreichen und wunderbaren Historia" und des "Tritt vor dem Riß" sind nicht bekannt.
Vollendet im Juli 1924
Die Wiedergabe in Manuldruck besorgte die Spamersche Buchdruckerei in Leipzig
[Seite 267:]
Reitzenberg, auch Reizenberg (Schauspieler, gest. nach Einigen im Jahre 1831, nach Franz Wallner im Jahre 1839). Eine jener grotesken, eigenthümlichen Gestalten des Schauspielerstandes, die bei den Reformen, welche sich im Schauspielwesen in der Gegenwart sichtlich vollziehen, täglich seltener werden. Ueber seine Abkunft cursiren die verschiedenartigsten Gerüchte. Nach Einigen – [Seite 268:] und diese Angaben mögen nicht ganz aus der Luft gegriffen sein – war er ein Sproß des weitverzweigten freiherrlichen Geschlechtes der Reitzenstein, und hatte offenbar in seiner Jugend eine vortreffliche Erziehung genossen. Nun, es sind ein Karl Freiherr von Reitzenstein und eine Sophie von Reitzenstein, geb. M. S. Weikard, bekannt, welche beide mehrere dramatische Arbeiten veröffentlicht haben; Ersterer das fünfactige Trauerspiel: "Graf Königsmark" (Wien 1792) und das Trauerspiel: "Die Negersclaven" (Berlin 1793, 8°.); Letztere mehrere Schau- und Lustspiele: "Der Vergleich", Schauspiel (1791); – "Der gereiste Bräutigam", aus dem Französischen (1791); – "Das nächtliche Rendezvous", aus dem Franz. (1791); – "Die seltene Beständigkeit", Lustsp. (1791); – "Die Kriegslist", Lustspiel (1791); – "Reue mildert Verbrechen". Vielleicht sind es die Eltern des Schauspielers Reitzenberg, der als er ein Incognito anzunehmen sich genöthigt sah, seinen Familiennamen dahin abänderte, daß er an Stelle der Sylbe Stein das Wort Berg setzte. [...]
Freyherr von REITZENSTEIN (Karl) ... zu ... geb. zu ... §§. *Graf Königsmark; ein Trauerspiel in 5 Aufzügen. Wien 1792. 8. Gab heraus: Gedichte des Freyherrn Dietrich Ernst Spiegel von Pickelsheim. ebend. 1793. 8.
Freyherr von REITZENSTEIN (Karl) starb ... §§. *Reise nach Wien; Hof 1795. 8.