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Gellert, Christian Fürchtegott: An Christoph Friedrich Nicolai. 3.5.1758. In: C. F. Gellerts Briefwechsel. Hg. von John F. Reynolds. Band II (1756-1759). Berlin, New York: de Gruyter 1987. S. 165-166.

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409. An Christoph Friedrich Nicolai.

Bonau, den 3. Mai 1758.

Hochedler,
Hochzuehrender Herr,

Sie haben mir, wenn ich auf Ihre Absicht sehe, eine sehr große Ehre erwiesen, und zufälliger Weise eine grausame Ehre. Ich erschrack, da ich meinen Namen unter dem Kupfer vor der Crit. Bibliotheck erblickte, und glaubte alle Menschen, nur mich nicht zu sehen; u. alle, die um mich waren, schrien, wenn ich dieses Bild wäre, so würden sie mich nicht in ihrem Hause dulden. Ich höre eben diese Klagen von meinen Freunden aus Leipzig, und ich bin zu aufrichtig, als daß ich Ihnen, da ich Ihre Freundschaft gegen mich kenne, diese Klagen verbergen könnte. Wie unendlich würden Sie sich mich verbunden haben, wenn Sie mir Ihr Vorhaben entdecket u. sich durch meine Bitte davon hätten abhalten lassen! Ich habe mich nie für die Welt wollen stechen lassen, aber gern für meine Freunde, so wie ich gern das Bild aller <Seite 166:> meiner Freunde besitzen möchte. Herr Wendler, mein erster Verleger, hat mich vor vielen Jahren wollen stechen lassen; ich habe ihn nicht angehöret. Herr Reich hat mich um eine ansehnl. Summe von Ihrem großen Meister Schmidt wollen stechen lassen, u. dieser hat es unter der Bedingung, mich nach dem Leben stechen zu dürfen, über sich genommen; ich habe es auf alle Art abgelehnet. Reich versprach mir, daß das Portrait nicht vor meine Schriften kommen sollte, u. ich versprach ihm, so bald ich meine schon längst angelobte Reise nach Berlin thun würde, mich stechen zu lassen. Diese kleine Geschichte habe ich anführen müssen, damit Sie meine Klage nicht für übertriebnen Eigensinn oder Autoreitelkeit halten.

Von dem seligen Croneck, dem besten Manne von der Welt, dessen frühen Tod ich schon in meiner Krankheit bitterlich beweinet, u. seinem Codrus, den ich schon vor zwey oder gar vier Jahren gelesen u. hart beurtheilet, von dem seligen Brawe, dem Verfasser des Freygeists, dem würdigsten Jünglinge, dessen frühen Tod ich unlängst herzlich beweinet, könnte ich Ihnen ganze Bogen schreiben, aber ich würde mich noch kränker schreiben, als ich wieder seit etlichen Wochen bin, u. meine Brust versagt mir zum Sitzen den Dienst. Vielleicht finde ich in Leipzig, dahin ich bald zurück zu kehren denke, bessere Tage.

Leben Sie wohl, Hochzuehrender Herr. Ich bin mit vollkommner Hochachtung u. Freundschaft

Ihr ergebenster Diener
Gellert.

Bonau,
den 3 May,
1758.


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