Brawe Ressourcen Logo | unten |

Lessing: An Karl Lessing. 9.6.1768. In: Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Band 17. Hg. von Karl Lachmann. Dritte, aufs neue durchgesehene und vermehrte Auflage, besorgt durch Franz Muncker. Leipzig: Göschen 1904. S. 253-255.

<Seite 253:>

199. An Karl Lessing.

Hamburg, den 9. Junius 1768.

Lieber Bruder,

Das ist wahr, meine Briefschuld bey Dir ist groß. Aber daß Dich dieses ja nicht abhalte, fleißig an mich zu schreiben! Es ist der nächste Weg gar nicht bezahlt zu werden, wenn man seinen Schuldnern weitern Credit versagt.

Du hast wohl gethan, daß Du den Katalog drucken lassen. Sobald er fertig, schicke mir ein Exemplar, und ich will Dir die Preise dabey notiren, für welche ich sie lassen will; das Journal des Savans aber nicht unter 100, und den Mercure nicht unter 60 Thaler.

Ich bin in Leipzig gewesen, aber weder die Zeit, noch andere Umstände haben es mir erlauben wollen, über Berlin zurück zu reisen. Herr Voß wird Dir Verschiedenes von mir haben sagen können. Hier habe ich <Seite 254:> alle Hände voll zu thun, und vornehmlich beschäftigt mich noch die Dramaturgie. Sie ist nicht weiter heraus, als bis Nro. 82. Der Rest des zweyten Bandes wird in einigen Wochen zusammen erscheinen. Wenn ich das Werk noch weiter fortsetze, so soll es Bandweise, und nicht Bogenweise geschehen. Du sollst ein complettes Exemplar haben, sobald eins fertig ist.

Sage Herrn Meil, daß er sein Geld unverzüglich erhalten wird, wo er es nicht schon itzt erhalten hat. Der Buchhändler, der das Geld in Leipzig auszahlen sollte, hat uns nicht Wort gehalten.

Ich habe freylich angefangen, hier Verschiedenes von meinen Sachen drucken zu lassen, unter andern auch dramatische. Aber noch ist nichts so weit, daß ich es Dir mittheilen könnte.

Du hast die Tragödien von Brawe drucken lassen? Ich will Dir nur sagen, daß mir Herr Winter nichts dafür gegeben, als 30 Thaler Sächsische Drittel. Es ist also billig, daß er Dir noch etwas nachbezahlt. Ein Exemplar hättest Du mir wohl davon schicken können!

Du arbeitest außerdem selbst an einer Tragödie? Recht gut. Mich dünkt auch immer, daß man in dem dramatischen Fache eher mit einer Tragödie als mit einer Komödie den Versuch machen sollte. Es ist leichter, zum Mitleiden zu bewegen, als lachen zu machen. Man lernt eher, was Glück und Unglück, als was sittlich und unsittlich, anständig und lächerlich ist. - Ich wäre aber begierig, erst deinen Plan zu sehen.

Hat Dir Herr Nicolai Theile vom Johnsohn, vom Cibber und vom Shadwell gegeben? Schicke sie mir bey Gelegenheit, denn ich brauche sie.

Döbbelin ist ein Narr, das habe ich immer geglaubt. Wenn das Deutsche Theater durch ihn empor kommen soll, so helf ihm Gott! Ist denn die Schulzin noch bey ihm? desgleichen die Felbrig? Mich dünkt, die erste soll es noch bedauern, daß sie von Hamburg weg gegangen ist. Jetzt bekommen wir die Brandes hierher, denen es in Leipzig nicht gefallen will.

Ich habe jetzt auch Kochs Theater gesehen. Die Verzierungen ausgenommen, und den Bau des Theaters selbst, kann ich Dich versichern, daß es dem hiesigen weit nachstehen muß. Ich habe die Minna da spielen sehen. Der einzige Brückner hat seine Rolle, den Tellheim, besser ge- <Seite 255:> macht, als hier Eckhof; die übrigen alle sind unendlich weit unter den hiesigen Akteurs.

Lebe wohl und schreib mir bald wieder. Ich bin

Dein
treuer Bruder,
Gotthold.


  | oben |