[Johann Friedrich Ernst von Brawe:] Standrede welche bey der Beerdigung des Herrn General=Lieutenant und Geh. Kriegsraths=Vice=Präsidenten August Siegmund von Zeutzsch den 3ten Februar 1771. von dem Sous=Lieutenant von Brawe, bey dem Regiment Churfürst Infanterie, gehalten worden. Dresden: Gröll [1771]. (SLUB Dresden, Signatur: Hist.Sax.D.635,22. – Digitalisat hier.)
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Standrede
welche
bey der Beerdigung
des
Herrn General=Lieutenant und Geh. Kriegsraths=
Vice=Präsidenten
August Siegmund
von Zeutzsch
den 3ten Februar 1771.
von dem
Sous-Lieutenant von Brawe,
bey dem Regiment Churfürst Infanterie,
gehalten worden.
Dresden,
zu finden in der Gröllischen Buchhandlung.
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So hat denn abermals der verderbliche Feind unsers Geschlechts eine schmerzhafte Probe seiner über alle Alter, über alle Stände, selbst über die glänzendesten Verdienste, ausgedehnten, fürchterlichen Gewalt, abgelegt. Dieser Gedanke, Durchlauchtige Prinze, Hoch= und Hochwohlgebohrne, Höchst= und Hochgebietende, allerseits Höchst= und Hochgeehrteste Anwesende, dieser Gedanke, sage ich, muß nothwendig einen jeden unter uns beschäftigen, welcher seine Augen auf diese Bahre richtet, und auf selbiger den erblaßten Leichnam des weiland Hochwohlgebohrnen Herrn, Herrn August Siegmund von Zeutzsch, aus dem Hause Burg, auf Drebach,
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Sr. Churfürstl. Durchl. zu Sachsen Hochbestalt=gewesenen General=Lieutenant von der Cavallerie, auch Vice=Präsidenten des Geh. Kriegsraths=Collegii, erblicket. Dieser Gedanke ist die Quelle der allgemeinen, wehmüthigsten, gerechtesten Klagen über den Verlust eines Mannes, welcher das Feuer seiner jugendlichen Jahre, den Durst nach Ehre und Ruhm, so lange in Zaum hielt, bis er sich tüchtig gemacht hatte, durch gründlich erlernte Wissenschaften dem Vaterlande eben so nützliche Dienste, als mit dem Degen, zu leisten; welcher sodann sich erst der niedrigsten Stelle des Soldatenstandes widmete, und von einer derselben zur andern Schritt vor Schritt fortgieng, um sich mit denen, einer jeden besonders obliegenden Pflichten desto besser bekannt zu machen; welcher in einer Zeit von vierzig Jahren zu dem Grade eines General=Lieutenants in der Armee, und zugleich eines Vice=Präsidenten bey dem Geh. Kriegsraths=Collegio, empor gestiegen ist, welcher allemal den ruhmvollen Namen eines braven und ehrlichen Mannes behauptet, und sich den Beyfall seines Landesherrn, das Lob seiner Vorgesetzten, die Bewunderung seiner Freunde, die Ehrfurcht und Liebe seiner Untergebenen, zuwege gebracht hat.
Zu sehr überzeugt von der Schwäche meiner Beredtsamkeit, wage ich es nicht, die einzeln Züge dieses vollkommenen Characters durch unvollkommene Lobeserhebungen zu verdunkeln. Euch aber erkühne ich mich aufzufordern, Erhabene in dieser Versammlung, die Ihr aus eigenen Empfindungen, erleuchteten Einsichten, geprüften Erfahrungen, die Eigenschaften eines großen Generals zu bestimmen wisset,
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Euch erkühne ich mich aufzufordern; Euer Urtheil entscheide es, wie würdig der Verstorbene dieses Namens gewesen ist. Euer Zeugniß bestätige es, wie glücklich er seine Talente in verschiedenen, ja fast in allen Fächern zu gebrauchen gewußt, wie oft er einen unerschrockenen Muth mit einer klugen Behutsamkeit verbunden, und dadurch seinen Unternehmungen den vortheilhaftesten Ausschlag gegeben hat. –
Gerecht sind daher die allgemeinen Klagen über den Verlust eines Mannes, dessen patriotischer Diensteyfer täglich etwas gutes, etwas, dem Interesse seines Landesherrn, der Wohlfarth seiner Mitbürger ersprießliches, zu bewürken bemühet war. Gewiß die meisten aus dieser zahlreichen Versammlung werden mir, in diesem Augenblick durch eine innere Ueberzeugung, den Erfolg jenes unermüdeten Eyfers vielleicht noch neuerlich erfahren zu haben, bewogen, einen stillschweigenden und wehmüthigen Beyfall geben. Gerecht aber auch sind, vorzüglich die Klagen, gerecht die ängstlichen durchdringenden Seufzer, einer, von dem empfindlichsten Schlage bis zur Erde gebeugten Familie; Gerecht die Thränen, welche über den Verlust eines Gemahls, eines Vaters, eines Freundes, wie Zeutzsch war, fließen. »In ihm haben wir alles verlohren! – Kein Trost kann uns aufrichten! – Kein Balsam kann unsere Wunde heilen! – Sie wird immer bluten, denn in ihm haben wir alles verlohren! – –« Dieses sind die Ausdrücke der Wehmuth, in welchen sich eine trostlose Wittwe, trostlose Kinder, bey jeder Erinnerung ihres Verlustes nicht erschöpfen können. –
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Und doch will ich es wagen aus dem Verhältnisse des Zustandes, in welchen unser Hochseel. Herr General von dem Augenblick an, der ihn der Welt, dem Vaterland, seinen Freunden, seiner Familie, entrissen, dem Geiste nach versetzet worden ist, gegen die Tage seines ruhmvollen Lebens, eine unerschöpfliche Quelle des heilsamsten Trostes herzuleiten.
Unterstützt von denen Gründen, belebt von dem Feuer der geheiligten Religion, entzieht sich mein forschender Geist dieser traurigen Scene, und suchet in jenen seeligen Gefilden des Friedens, in der Gesellschaft derer Auserwählten, unter denen Fittigen derer Seraphinen, vor dem Throne des Ewigen, den verklärten Geist dieses erblaßten Leichnams – – und siehe! – – ich finde ihn! – –
Mit verdoppelten Schritten bemüht sich der emsige Wanderer alle Hindernisse des langen und beschwerlichen Weges geschwinde zu übersteigen; hat er aber den Ort seiner Bestimmung erlangt: So athmet er langsam Erquickung und Ruhe in sich, und jeder Zug seines Gesichtes mahlet die Zufriedenheit seines Herzens.
So finde ich ihn, jenen verklärten Geist, wandeln in denen Sphären des Lichtes. – Sein Lauf ist herrlich vollendet. – Himmlische Freude lächelt aus seinem Blicke. – Die Lorbern des fürtreflichsten Sieges umkränzen sein Haupt. – Keine Ab-
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wechselungen stören die Dauer seines Glücks. – Ihm ist wohl, Ihm ist ewig wohl. –
Darum höret auf, trostlose Klagen, den Schluß der Vorsehung zu bestürmen, und sträflich darwider zu murren! Höret auf, dem vollendetem Gerechtem die vollkommene Belohnung seiner Verdienste, deren er in der Welt nie theilhaftig werden konnte, zu mißgönnen! Stillet euren Lauf ihr Thränen der ehelichen, kindlichen, freundschaftlichen Pflicht! Denn, dem, den ihr als Gemahl, als Vater, als Freund, als Wohlthäter, beweinet, dem ist wohl, dem ist ewig wohl. –
So geniesse denn sein verklärter Geist die Freuden des Himmels, er geniesse sie ewig! – Welch unaussprechliches Glück! – Sein entseelter Leichnam ruhe sanft in dem kühlen Schooß der Erden, bis zu dem unausbleiblichen Tage seiner Verherrlichung! – Sein ruhmvolles Andenken aber, verlösche niemals in denen Herzen derer, die ihn gekannt, verehrt, bewundert, geliebt haben! – –
Durch mich Durchlauchtige Prinze, Hoch= und Hochwohlgebohrne, Höchst= und Hochgebiethende, allerseits Höchst= und Hochgeehrteste Anwesende, entledigen sich auch nunmehro, die hinterlassene Frau Wittwe, und ganze Familie, derjenigen ehrfurchtsvollen und gehorsamsten Danksagungen, welche sie Höchst= und Hochdenenselben, dafür allerdings schuldig zu seyn erkennen, daß Höchst= und Hochdieselben die lezten Beweise Dero
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huldreichen Gnade, und schätzbaren Freundschaft, gegen den Verstorbenen öffentlich an den Tag zu legen, und diese letzten, ihm wiederfahrenden Ehrenbezeugungen durch Dero persönliche und zahlreiche Gegenwart zu verherrlichen, zu erheben, geruhet haben.
Und endlich unterwinde ich mich, mir, für mich selbst, ein gnädiges und gelindes Urtheil zu erbitten, wenn ich bey dieser feyerlichen Gelegenheit, und von einem so erhabenen Gegenstande, mehr in denen Ausdrücken eines gefühlvollen Herzens, als in der Stärke eines Redners gesprochen habe.
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