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[Christian Felix Weiße]: Trauerspiele des Hrn. Joachim Wilhelm von Brawe [Rezension]. In: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. Siebenden Bandes Erstes Stück. Leipzig: Dyck 1768. S. 155-157. [Faksmilie.]

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XII.

Vermischte Nachrichten.

Berlin. Bey G. Ludwig Winter sind erschienen: Trauerspiele des Hrn. Joachim Wilhelm von Brawe.

»Was hätte«, sagt der Herausgeber dieser beyden Trauerspiele, »ein so feuriger und fleissiger Dichter, als der seel. Brawe war, der Bühne nicht für Ehre machen können, wenn er länger gelebt hätte! wenn er, bey seinem längern Leben, nicht etwan, wie viele andre, mitten in seinem Wachsthume stehen geblieben wäre! und wenn er endlich die Liebe zum deutschen Theater nicht vielleicht gar verlohren hätte, zu einem Theater, dem es zum Theil noch an Personen fehlt, die ihre natürlichen <Seite 156:> Gaben durch Studiren der Bücher und der feinern Welt erhöht, und sich tüchtig gemacht haben, dem Dichter in allen seinen Empfindungen zu folgen und zu Hülfe zu kommen!« Wir stimmen ihm vollkommen bey; und können dieß um so viel mehr bekräftigen, da wir ihn sehr genau gekannt haben. Er besaß einen großen Geist und ein eben so edel Herz, studirte mit einem unglaublichen Fleiße, hatte eine brennende Liebe fürs Theater, und besaß so viel Wissenschaft, Einsichten und Kenntnisse, daß man ihn unter die frühzeitigen Gelehrten rechnen konnte. Seine Talente erwarben ihm unter andern die Freundschaft des seel. Majors Kleist, der damals in Leipzig in Garnison lag, und ihn ungemein liebte, und eines Lessings, dessen Aufmunterung er zum Theil seine Liebe fürs Theater dankte. Wenn man denket, daß B. nicht älter als achtzehn Jahr war, als er diese beyden Stücke, den Freygeist und den Brutus schrieb, so erstaunt man über die Schönheiten, von denen sie voll sind, und beklagt die deutsche Bühne, der so viele Hoffnung in ihm entrissen wurde. Der Freygeist, sein erstes, ist bereits von den damaligen Verfassern der Bibliothek beurtheilet worden. Das Verdienst des Brutus hat der Herausgeber bestimmt: »es ist voll von interessanten Situationen, voll von gewaltsamen Leidenschaften, voll Heroismus und Stoicismus, und vom Anfange bis zu Ende voll ungewöhnlich starker Poesie.« Alle Fehler, die sich darinnen finden, sind Fehler des Genies: ohne sie wäre er gewiß nicht das, was er ist: denn eine allzu frühzeitige Corre- <Seite 157:> ktion zeigt selten einen großen Geist. Bey seinem in der Vorrede angeführten Leben finden wir blos zu erinnern, daß er nicht, wie daselbst gesagt wird, in seiner Vaterstadt, Weißenfels, sondern in Dresden, an einem hitzigen Fieber starb.


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