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Bretschneider, Heinz: Joachim Wilhelm von Brawe. Schüler und Freund von Gotthold Ephraim Lessing. In: Naumburger Kreiszeitung. 20. Jahrgang. Heft 27/1979. Naumburg 1979. S. 6.

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Joachim Wilhelm von Brawe

Schüler und Freund von Gotthold Ephraim Lessing

Wohl die wenigsten Bürger wissen, daß in der Weißenfelser Nikolaistraße 39 der Dichter Joachim Wilhelm von Brawe (1738 bis 1758) seine Kindheit verlebte. Am 4. Februar 1738 wurde Joachim Wilhelm von Brawe als Sohn eines herzoglichen Assistenzrats in Weißenfels geboren. Schon 1743 wurde der Vater als Geheimer Kammer- und Bergrat nach Dresden berufen. Von 1750 bis 1755 besuchte der junge Brawe die berühmte Landesschule von Schulpforte.

Zum Studium der Rechtswissenschaften ließ sich der Siebzehnjährige 1755 an der Universität Leipzig immatrikulieren. In Leipzig wurde Brawe einer der befähigtsten Schüler und der Freund von Gotthold Ephraim Lessing. Einen starken Einfluß übte auch Christian Fürchtegott Gellert, der damals Professor der Moral und der schönen Wissenschaften war, auf Brawe aus. In den Abendgesellschaften des Dichters Ewald von Kleist finden wir gleichfalls den jungen Weißenfelser Studenten. Sogar der Dichter Ludwig Gleim aus Halberstadt interessierte sich sehr für Brawe.

In Leipziger Kreisen wurden der unermüdliche Fleiß und die Begeisterungsfähigkeit des jungen Brawe allgemein anerkannt. Kleist sah in ihm ein künftiges großes Genie. Als 1756 der Herausgeber der Zeitschrift »Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freien Künste«, Christoph Friedrich Nicolai, 50 Reichstaler für das beste deutsche Trauerspiel aussetzte, bewarb sich auch Brawe mit seinem Drama »Freigeist«. Obwohl sich Lessing sehr für das Werk einsetzte, wurde Brawe der Preis nicht zuerkannt. Lange Jahre erfreute der »Freigeist« das Theaterpublikum, besonders in Berlin, Hamburg, Nürnberg, Münster, Darmstadt, Danzig (heute Gdansk) und Prag. Im Jahre 1756 entstand auch Brawes Trauerspiel »Brutus«, das durch seine neue Versform (fünffüßiger Jambus) bei der Aufführung in Wien nicht den gewünschten Erfolg brachte. Viel später wandten Goethe und Schiller für ihre Dramen gleichfalls die neue Versform an. »Freigeist« und »Brutus«, die beiden Trauerspiele des jungen Brawe, wurden von Christoph Friedrich Nicolai 1767 in seiner »Bibliothek der Wissenschaft« veröffentlicht.

Brawe sollte nach Beendigung des Universitätsstudiums Regierungsrat bei der Stiftsregierung in Merseburg werden. Diese Tätigkeit konnte der Zwanzigjährige nicht beginnen, da er bei einem Elternbesuch in Dresden am 7. April 1758 plötzlich starb. Seine Zeitgenossen waren der Meinung, daß er durch übersteigerten Ehrgeiz seine Körperkräfte zu früh verzehrt habe. Der Herausgeber seiner beiden Dramen, Ramler, schreibt über Brawe: »Was hätte ein so feuriger und fleißiger Dichter der Bühne nicht für Ehre machen können, wenn er länger gelebt hätte!«

Heinz Bretschneider


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