Lessing: An Friedrich Nicolai. 19.2.1757. In: Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Band 17. Hg. von Karl Lachmann. Dritte, aufs neue durchgesehene und vermehrte Auflage, besorgt durch Franz Muncker. Leipzig: Göschen 1904. S. 93-94.
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60. An Friedrich Nicolai.
Leipzig, d. 19. Febr. 1757.
Liebster Freund,
Sie werden auf mich böse seyn; denn Sie haben diesem Brief ohne Zweifel schon seit vierzehn Tagen begierig entgegen gesehn. Unpäßlichkeit und häufige Zerstreuungen haben an dieser Verzögerung Schuld gehabt, und nächstdem hatte ich mir vorgesetzt, nicht eher wieder an Sie zu schreiben, als bis ich es zu Ihrer völligen Beruhigung wegen der Bibliothek würde thun können.
Wie es mir mit Lankischens gegangen ist, habe ich Ihnen bereits gemeldet. Herr Feuereisen hatte mir so viel Versprechungen wegen des Drucks gemacht, daß ich ihm ohne Bedenken das Manuscript anvertraute, zum guten Glücke aber Ihren Namen noch verschwieg, auf welchen Umstand Sie Staat machen können. Ich hoffte von einem Tage zum andern schon den ersten gedruckten Bogen zu sehen, als ich gegen alle Vermuthung die ganze Handschrift wieder zurück bekam. Der Punkt wegen seiner Verlagsbücher mochte ihn abgeschreckt haben; noch mehr aber mochte er sich vielleicht durch die nicht allzu gütige Art, mit welcher der Erweiterungen bereits in der Recension Ihrer Briefe gedacht wird, beleidigt gefunden haben. Ich wandte mich also an einen andern Verleger,
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und zwar an Herrn Dyk. Ich will hoffen, daß Sie nichts gegen ihn einzuwenden haben werden; wenigstens wollte ich wohl für ihn Bürge seyn, daß er es an ordentlichem Drucke nicht wird mangeln lassen.
Sie müssen mir, mein lieber Nicolai, mit der ersten zurück gehenden Post antworten. Aber werden Sie es übel nehmen, daß ich ein wenig eigenmächtig in dieser Sache verfahren habe? Unterdessen müssen Sie, bloß meinetwegen, nichts billigen; ja es ist sogar noch Zeit, Herrn Dyk den Verlag zu nehmen, wenn Sie Ursache dazu haben sollten. Sobald ich von Ihnen Antwort erhalte, soll mit dem Drucke angefangen werden. So wie nach und nach alsdann Ihre Abhandlung von der Tragödie abgedruckt wird, will ich Ihnen auch einige Anmerkungen darüber mittheilen; doch ohne den Werth Ihrer Abhandlung im geringsten dadurch heruntersetzen zu wollen. Ich habe Grillen. Sie wissen es schon.
Und hierbey sende ich Ihnen auch ein Trauerspiel, dessen Verfasser sich um Ihren Preis bewerben will. Er ist ein junger Herr von Brawe, den ich wegen vieler guten Eigenschaften ungemein hoch schätze. Sie werden, hoffe ich, mit mir einig seyn, daß der erste Versuch eines Dichters von 19 Jahren unmöglich besser gerathen kann. Schreiben Sie mir Ihre Meynung davon; alsdann will ich Ihnen auch die meinige weitläuftiger eröffnen. Herr Moses muß es auch lesen und mir sein Urtheil melden. Warum schreibt er mir denn nicht?
Ich empfehle mich für jetzt, mein lieber Nicolai, Ihrer beiderseitigen Freundschaft, und hoffe nächstens mit Ihnen Beyden mehr zu schwatzen; schriftlich nehmlich: denn so gewiß ich mir auch vorgenommen habe, vor meiner zweyten Abreise noch nach Berlin zu kommen, so ungewiß ist es, wann es wird geschehen können. Leben Sie wohl.
Ganz der Ihrige,
Lessing.
Nachschrift.
Wenn Herr Moses will, daß ich in unserer angefangenen Materie von der Tragödie zu schreiben fortfahren soll, so muß er mir alle meine Briefe erst zurück senden. Und hierum ersuche ich auch Sie. Ich bin ganz aus der Verbindung gerathen, und muß wieder wissen, was ich geschrieben habe.
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