Ewald von Kleist: Brief an Gleim. 11.4.1758. In: Ewald von Kleist's Werke. Hrsg. v. August Sauer. Zweiter Theil: Briefe von Kleist. Berlin: Gustav Hempel o. J. [ca. 1880]. S. 486-487.
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271. An Gleim.
(Ungedruckt. Original in Halberstadt.)
Mein theurster, liebster Gleim,
Ihr liebstes Schreiben habe ich nebst den 300 Rth. erhalten. Wir haben noch keine Ordre zum Aufbruche, und ich glaube, daß wir sie vor medio hj. oder nicht ehe erhalten werden, bis das Jungheimische Regiment Ordre zum Aufbruche bekommt, das, wie man sagt, Leipzig zur Garnison haben soll. Vielleicht wird auch noch gar nichts daraus; denn der General Hauß, der zwar hier bleibt, soll beim Könige allerhand Vorstellungen gemacht haben, die ich zwar zu hintertreiben gesucht, – wer weiß aber, ob es helfen wird. Ich stelle mir schon immer das Schlimmste als gewiß vor; denn ich bin zu nichts Glücklichem ausersehen. Aber ich muß Geduld lernen, die mir erschrecklich fehlt, und zuletzt wird noch Alles gut werden.
Hier haben Sie das Geburtstagslied, das ich noch meist ganz in Bernburg gemacht habe. Ich habe es damals in meiner Schreibtafel H. Langen gewiesen, wie er nebst H. Spahn bei mir war. Er gab es mir aber zurück und sagte: »Es ist eine Zeichnung, die erst ausgemalt werden muß.« Mich verdroß dies ein Wenig; denn meiner Meinung nach war es ausgemalt – es war so, wie es jetzo ist, – und er soll es dieserwegen auch nicht ganz sehen, bis es gedruckt wird. Vielleicht gefällt es ihm alsdenn besser; denn vermuthlich konnte er es nicht recht lesen.
Herr Gessner hat mir seinen ›Tod Abel's‹ geschickt und macht Ihnen sein großes Compliment. Ich bin sehr begierig, das Gedicht zu lesen, das gewiß schön sein wird; aber der Buchführer Reich, der es mir geben soll, hat noch nicht ausgepackt und mir nur den Brief allein zugeschickt. Die Schweizer sind mit meinem neuen Büchelchen mehr zufrieden, als ich geglaubt habe, auch sogar mit dem Traurspiel, darin doch der Dialogus schlecht genug ist; denn es ist nur ein Project, und bei der Ausarbeitung dachte ich es erst dialogischer zu
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machen, wenn anders das Sujet es sehr litte. Bald werde ich Ihnen wieder was Neues schicken, und wenn ich marschire, so sollen Sie gewiß von mir alten Invaliden noch genug lesen; denn im Zelte wird mir die Zeit oft sehr lang. Herr Lessing empfiehlt sich herzlich; er wird Ihnen selbst schreiben. Ihre Lieder werden noch zur Messe gedruckt. Leben Sie glücklich, und wenn ich hier bleibe, so schicken Sie mir bald Ihr Porträt! Oder vielmehr, schicken Sie mir es gleich, sobald es trocken ist; denn 8 Tage bin ich noch gewiß hier. Ich will es H. Lessing in Verwahrung lassen, der es auch ungemein gerne sehen will. Ich bin, nach ergebenstem Compliment an H. Spahn, lebenslang
Meines liebsten Gleim's
getreuster
Kleist.
Leipzig,
den 11. April 1758.
Der Herr v. Brawe, den Sie in Leipzig bei H. Lessing gesehen, und der mein täglicher Gesellschafter und ein künftiges großes Genie war, indem er schon 2 Traurspiele, darin viel Schönes ist, in seinem 18. Jahr gemacht, ist an einem hitzigen Fieber in Dresden, wohin er gereiset war, schleunig verstorben.
[1]
Mich hat sein Tod so frappirt, daß ich noch von ihm träume.
Adresse wie bei Nr. 218.
[also:
Monsieur
Monsieur Gleim
Chanoine de Walbeck et Secretaire
du grand chapitre
à
Halberstadt.]
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[1]
Am 7. April. Vgl. J. W. v. Brawe von A. Sauer. Straßburg 1878. Quellen und Forschungen, XXX.
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