König, Eva: An Gotthold Ephraim Lessing. 17.11.1770. In: Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Band 19. Hg. von Karl Lachmann. Dritte, aufs neue durchgesehene und vermehrte Auflage, besorgt durch Franz Muncker. Leipzig: Göschen 1904. S. 402-404.
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339. Von Eva König.
Wien, den 17. Nov. 1770.
Mein lieber Herr Lessing!
Endlich erhalte ich gestern eine Antwort; ich weiß nicht – ob auf zwey oder drey Briefe, die aber schon am 25ten geschrieben seyn soll, und also siebenzehen Tage unterwegs gewesen wäre. Wenn Sie sich im Datum nicht geirrt, so verstehe ich nicht, wo der Brief so lange gelegen seyn mag. Dem sey wie ihm wolle, ich freue mich, daß ich ihn habe, und daß er mir sagt: daß Sie wohl und vergnügt sind. Denn vergnügt müssen Sie seyn, da Sie eine Arbeit vollbracht, die, nach Ihrem Vorhergehenden, eben nicht die angenehmste Beschäftigung für Sie gewesen, und für die Sie doch jetzo mit Beyfall belohnt werden, und noch dazu mit dem Beyfall der Theologen.
Hätten Sie doch Ihren zwey bewunderungswürdigen Grafen ein Exemplar für mich mit gegeben! Niemals hätten Sie eine grössere Neugierde gestillt; denn der Sie kennt, sollte der nicht neugierig seyn, etwas
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Geistliches von Ihnen zu lesen? Zudem habe ich jetzt am Geistlichen mehr Geschmack, als an allem andern. Eben darum könnte ich Ihnen mehr von den hiesigen Predigten, als vom Theater erzählen, welches ich seitdem nur einmal besucht, und kaum noch einmal besuchen werde. Sie möchten denn Stücke aufführen, die mich mehr unterhalten, als die bisherigen. Den Brutus habe ich versäumt, worinnen, wie Herr von S. sagt: alle Acteurs in der größten Vollkommenheit spielen. Außerdem haben sie nichts als hiesige Originalien gegeben, worunter die Hausplage ist, die nun schon drey Tage hintereinander aufgeführt wird, und den größten Beyfall hat. Ich urtheile daraus, daß die hiesigen Weiber recht gut seyn müssen. Wie würde sonst die Vorstellung der Schlimmen so viel Zulauf haben? – Sie, die nun so gut von den Wienern denken, werden leicht mit mir einerley Meinung seyn; denn wo die Männer gut sind, versteht sichs, daß die Frauen auch gut sind. Mein Urtheil über hiesige Nation, will ich bis aufs mündliche versparen, und bis dahin sie besser kennen lernen. Jetzo möchte sich noch zu viel Eigenliebe darunter mischen. Denn wenn ich sie nach der Begegnung gegen mich beurtheilen sollte, so müßte ich sagen, daß es ganz außerordentlich gute Leute sind. – Ihrem Lobe hingegen traue ich vollkommen, und daher lasse ich mir es recht angelegen seyn, den guten Ruf der beyden Herrn überall zu verbreiten. Sogar werde ich nun dem Vater des Grafen von Chotek die Visite machen, was ich bisher versäumt, da der doch ein großer Freund und Gönner von meinem seligen Manne war. Wenn ich die aber alle hätte besuchen wollen, so hätte ich noch ein halbes Jahr nichts als Visiten zu geben. Sie glauben nicht, welch einen guten Namen er hier hinterlassen. Doch, warum sollten Sie es nicht glauben? Sie haben ihn ja gekannt.
Indem ich jetzt überlese, was ich vorigen Posttag geschrieben, finde ich, daß es ein Glück für Sie ist, daß ich verhindert worden, weiter zu schreiben. Ich hätte Sie auf die langweiligste Art unterhalten; denn ich war nicht allein übel disponirt, sondern auch gar nicht wohl. Heute ist mir wieder besser, doch bin ich nie vollkommen wohl; und eben deswegen denke ich täglich auf die Rückreise, die ich doch vor drey Wochen nicht werde antreten können. Es wird also wohl bis Ende Januar dauern, ehe ich wieder zu Hause komme. Das Verlangen, meine Mutter noch einmal zu sehen, ist so groß, daß es mich wohl zu dem Entschluß
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bringt, durch die Pfalz zu reisen. – Bey der Pfalz fällt mir ein: Es gehet hier die Rede, als hätte der Churfürst 500,000 Fl. zu einem deutschen Theater ausgesetzt, und Seyler würde dahin kommen. Wissen Sie was davon? Wenn es wahr wäre, so bin ich versichert, daß es dorten eher zur Vollkommenheit kömmt, wie hier. Denn S. mag mir sagen, was er will, er wird mich nicht überreden, daß man vom guten Geschmacke nicht noch weit entfernt ist; fast so weit, als wir von dem Gewinn, den wir von Ihren aufgegebenen Nummern erwarten können. Dem ohngeachtet werde ich diese oder andere mit einem Louisd'or besetzen, wiewohl ich es nicht thun sollte. Denn wissen Sie wohl? daß ich Ihnen die Compagnie in Braunschweig anbot, und Sie schlugen sie aus. Sehen Sie hieraus, daß ich vergebe, aber nicht vergesse. – Wollen wir in Hamburg auf folgende fünf Nummern einsetzen:
19. 36. 45. 47. 69.
aber auch nicht höher, als einen Louisd'or, so thun Sie es in der nähesten Ziehung. – Dies giebt Ihnen zugleich Gelegenheit dahin zu schreiben, und die bittern Klagen über Sie hören auf. Selbst hier muß ich sie hören. Lesen Sie folgendes, und rathen Sie, wer es geschrieben? "Wenn Sie unsern lieben Lessing wieder sehen, so machen Sie Ihm tausend Komplimente von mir. Ich muß Ihn immer noch bey unsern Freunden vertheidigen, welche alle über Ihn klagen, daß Er nicht schreibt, und nicht antwortet. Bedenken Sie selbst, was mich das für Athem kostet!" Ich habe diesen Auftrag lieber schriftlich als mündlich überbringen wollen; denn hätte ich es bis aufs mündliche verspart, so würden ihn vermuthlich meine eignen Vorwürfe begleitet haben. Daß Sie drey Briefe von mir in Händen, und den vierten, wo nicht gar noch den fünften unterweges vermuthet haben, zeigt dies nicht ein wenig zu viel Stolz? Leider! war der vierte schon unterweges; ich hätte ihn gerne mit dem Louisd'or, der fürs Lotto bestimmt ist, zurückgekauft. – Wenn Sie mich ja in dem Irrthum lassen wollen, daß meine Briefe Ihnen angenehm sind, so antworten Sie mir geschwinder. Antworten Sie aber auch Ihren Freunden, damit die ganze Welt so gut von Ihnen redet, als ich dem allen ohngeachtet von Ihnen denke. Leben Sie recht wohl! Ich bin
Ihre
ergebene Dienerinn
E.C. König.
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