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Ernst August Hagen: Geschichte des Theaters in Preußen, vornämlich der Bühnen in Königsberg und Danzig von ihren ersten Anfängen bis zu den Gastspielen J. Fischer's und L. Devrient's. Königsberg: Dalkowski 1854. S. 278-279.

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Die classischen Tragödien verlangten keinen Decorationswechsel. Eine um so schwierigere Aufgabe wurde aber oft dem Maler gestellt, um Alles das auf der Hinterwand neben einander anzubringen, was die Einheit des Ortes wahrscheinlich machen sollte oder Gemächer zu erfinden, die eins und alles bedeuten konnten oder Vorhallen, die zu den verschiedenartigen Gebäuden führen sollten. In Voltaire's »Orest« soll sichtbar seyn, »der Meeresstrand, ein Holz, ein Tempel, ein Palast, ein Grabmal und in <Seite 279:> der Ferne Argos.« In Derschau's »Pylades und Orestes« wird ein Saal verlangt, »welcher auf der einen Seite an den Dianentempel, auf der anderen an den königlichen Palast stößt.«

Man nahm in Hauptstädten Historienmaler zu Hülfe zur Anordnung von Gruppen und scenischen Aufzügen. Als Brawe's Brutus 1770, Stephanie d. ä. gab die Hauptrolle, in Wien gespielt wurde, zeichnete sich die Vorstellung durch die von einem Maler gestellten Gruppirungen vortheilhaft aus *). Die Hauptfiguren befanden sich vorn, die unwichtigeren Personen in der Entfernung. Malerischer stand zu Shakspears Zeit der Held des Stückes weiter zurück und im Proszenium die gemeinen Krieger vorn zu beiden Seiten; die nicht für die Tiefe berechnete Aufstellung – denn störende Verschiebungen sind hier für die Mehrzahl der Zuschauer unausbleiblich – zeigte sich in einer flachen Curve.

Eigenthümlich sind die Theater unter freiem Himmel in Gärten, deren Sitze Rasenbänke, deren Culissen und Hinterwände Hecken sind. Auf diesen Sommerbühnen wurden oft von vornehmen Kreisen Komödien und Tragödien aufgeführt. Stücke der Gottsched sollten auf dem Landsitz einer vornehmen Dame 1759 auf einem zu dergleichen Ergötzlichkeiten oft benütztem Theater mit natürlich grünen Culissen gegeben werden. Göthe's Fischerin wurde in Tieffurth auf einem solchen Theater gespielt. Da es Kochen 1750 in Leipzig an einem Theater fehlte, so benutzte er ein solches und setzte auf den Komödienzettel »Im E. Richterschen Garten auf dem lebendigen Theater« **). Döbbelin bediente sich in Berlin gleichfalls eines und hub seinen Prolog mit dem Gruß an: »Willkommen im Grünen!« Auch in Preußen waren Theater der Art in Gärten angelegt und auf dem Gute Stenken bei Tapiau ist eines noch vorhanden.


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*) Schmid Parterre S. 223.
**) Blümner S. 81.

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