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Joseph von Sonnenfels: Nachricht an das Publicum. [Zusammenfassung von Oscar Teuber.] In: Die Theater Wiens. 2. Band, 1. Halbband: Das k. k. Hofburgtheater seit seiner Begründung. Wien: Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1903. Anhang S. XVI-XVII (= Endnote 54).

Joseph von Sonnenfels:

Nachricht an das Publicum (14. August 1770)

(Zusammenfassung von Oscar Teuber)

<Seite XVI:>

Die Proclamation Sonnenfels hat folgenden Wortlaut: »Was bei Nationen, die sich einer gereinigten und zu einer gewissen Höhe gebrachten Schaubühne rühmen, einst geschah; was zur Vollkommenheit der Dichter und Schauspieler hauptsächlich beyträgt, was in dem Sitze des deutschen Oberhauptes, in der Stadt, welche durch den ansehnlichsten, und einsichtsvollsten Adel bewohnt wird, vielleicht längst hätte erwartet werden sollen, was aber durch einen Zusammenfluss ungünstiger Umstände bis hieher immer gehindert worden, dieses sieht sich die neue k. k. Theatral-Direction durch sehr viel Gründe berechtigt, nunmehr mit Zuversicht zu erwarten. Der feinere Theil der Nation fängt an, an dem Nationalschauspiele mit einiger Wärme Antheil zu nehmen und patriotisch die Vervollkommnung desselben als einen Theil des Nationalruhms selbst zu betrachten. Die Weisheit des Monarchen hält diesen Theil der allgemeinen Ergötzungen nicht unter ihrer Sorgfalt, und von ihrem Throne selbst würdigen sie sich, keimende Genies durch Beifall und Freigebigkeit zu ermuntern und – wenn es erlaubt ist, sich also auszudrücken – durch ihre erwärmende Huld zur Reife zu bringen. Man betrachtet dieses von Seite der Direction als einen nicht zweydeutigen Wink, nach welchem sie sich verpflichtet hält, die Massregeln bei der künftigen Einrichtung der Schauspiele zu ergreifen .....« Mit Befriedigung weist die Proclamation auf die Wandlung des Geschmacks hin, welcher nunmehr kaum noch zur Abwechslung dulde, was früher Lieblingsunterhaltung war (d. h. die Burleske); sie betont, dass zum ersten Male (?) hier der Plan einer Direction vorgelegt und Jedermann aufgefordert werde, »ihr zu seiner Verbesserung und Vollkommenheit seine Einsicht freimüthig mitzutheilen ..... Wir sind in Wien, dem glücklichen Sitze deutscher Monarchen, eines Adels, der sich der uralten deutschen Abkunft mit Recht rühmt, einer Nation, die darauf stolz ist, dass sie eine deutsche Nation ist. Diese Betrachtungen fordern unsere vorzügliche Aufmerksamkeit für das deutsche, d. i. das Schauspiel der Nation ... Ausserdem, dass man überzeugt ist, man sei seinen deutschen Mitbürgern auch in ihren kleinsten Gliedern zu diesem Beweise der Achtung verbunden, dass man vorzüglich ihr Vergnügen besorge, so macht man sich zugleich einen hohen, sehr reizenden Begriff von dem Ruhme, wenn man die deutsche Bühne in Wien emporheben und dem Theresianischen Jahrhunderte auch diesen Vorzug versichern könnte, der eines so glorwürdigen Zeitpunktes würdig ist. ...« Nun entwickelt Sonnenfels den Actionsplan der Koháry'schen Direction: 1. werde man es nicht an Sorgfalt fehlen lassen, eine Gesellschaft gewählter Schauspieler zusammenzubringen und zwar werde man zu den vorhandenen guten, neue Talente, nicht etwa unter den ober- und niedersächsischen oder den reisenden österreichischen Truppen aufsuchen; es sei eben schwer in Wien, wo man nicht nur Vergleiche mit deutschen, sondern auch mit französischen Schauspielern zieht, die entsprechenden Kräfte zu finden, schwerer als in Leipzig, Hamburg, Hannover u. s. w., weil man hier vor Allem den Anstand für das fein-komische Fach, den Weltton fordere, den man nur in einer grossen Hauptstadt erwerbe. Man werde also Talente zu Hause aufsuchen und bilden, und hoffe sie umso eher zu finden, weil man die Schauspieler anders als bisher behandeln wolle, und das werde Manchen zum Auftreten bestimmen, der bisher dazu nicht zu bewegen war. »Die Achtung werden wir dem geschickten Schauspieler nicht versagen, und überhaupt soll unser Betragen gegen sie nicht das Betragen als gegen Tagmiethlinge, sondern als gegen Leute von Talenten seyn. Es wird also an den Schauspielern selbst, an ihrer Anwendung und absonderlich an ihrem Wandel liegen, dass ihnen von der Direction mit Achtung begegnet werde ....« Rohe und Unanständige werde man gar nicht auf der Bühne dulden. Dann werde die ganze Gesellschaft durch Betragen und Denkungsart das gegen ihren Stand eingewurzelte Vorurtheil widerlegen, Eingang in die gute Gesellschaft finden und sich an dieser bilden. Die Grossen der Nation, welche ausländische Schauspieler so gütig aufgenommen, werden gewiss auch den Schauspielern der Nation ein so schmeichelhaftes Glück nicht versagen. »Die Schauspielerin wird an der Dame, der Schauspieler im Kreise der Cavaliere die Urbilder zu dem freien, edlen Anstande, zu der Ungezwungenheit und Leichtigkeit des Umgangs, zu der feinen Höflichkeit studiren können, die wir auf der Schaubühne fordern und worin der Vorzug einiger französischer Nationalschauspieler bestand.« So werde die deutsche Schaubühne dem Adel ihre Vervollkommnung schuldig sein.

Punkt 2 der Proclamation kündigt stete Abwechslung im Spielplane als »Seele des Vergnügens« an. Das scherzhafte Lustspiel werde das herrschende sein; Trauerspiele, rührende Stücke, sollen »gleich der Würze, sparsam mituntermengt werden«, kleineren Stücken müsse immer ein scherzhaftes beigegeben sein; »und wie sich das Schauspiel manchmal zum wichtigsten, feinsten Scherze erheben wird, so soll auch das Scherzhafte manchmal so nahe an die Grenze der Posse sinken, als die Wohlanständigkeit der Schaubühne, welche man beständig im Auge haben wird, zugeben kann.«

Punkt 3 gibt bekannt, dass man nichts versäumen werde, gute Stücke zu erwerben und zwar unter folgenden Bedingungen: »Für jedes neue Trauer- oder Lustspiel erbietet man sich dem Verfasser zu einer Erkenntlichkeit von 100 fl., für kleine Stücke von drei oder zwei Aufzügen auf die Halbscheid, für Nachspiele von einem Aufzug zum Drittheile, bei wohlgerathenen Übersetzungen auf die Halbscheid.« Vierzehn Tage nach Einsendung des Stücks soll der Verfasser Antwort, eventuell das Honorar beheben können; bei besonders erfolgreichen Stücken werde man sich auf die bestimmte Summe nicht beschränken, sondern daneben eine »verhältnissmässige Dankbarkeit« bezeigen. Man habe übrigens »von Seite der Direction keine übertriebene Niedlichkeit oder Chicane« zu befürchten, weil ihr natürlich selbst daran gelegen sein müsse, neue Stücke zu empfangen und diejenigen nicht zurückzusenden, die ihr brauchbar sind. Nichtangenommene Stücke würden ohne alles Aufsehen retournirt werden, was am besten durch eine »Aufschrift« auf dem Stück und Beilegung eines verschlossenen Zettels mit dem Namen geschehen würde; der Zettel würde bei nichtangenommenen Stücken nicht eröffnet werden. Sollte statt Geldes der freie Eintritt ins Theater erwünscht sein, so würde er für ein »grosses Original« auf ein Jahr, für ein kleines Stück und den Übersetzer eines grossen auf ein halbes Jahr für beide Theater lauten. Ausländische Dichter macht man darauf aufmerksam, »dass die Stücke für die Wiener Bühne nicht eben nöthig haben, durch Gespräche auf eine gewisse Länge gebracht zu werden, weil die Ballete in Wien einen nicht unbeträchtlichen Theil der Zeit eigen haben.« »Ebenso will man ausländischen Schriftstellern den Irrthum benehmen, als ob auf der hiesigen Bühne eine andere Mundart als die reine deutsche gewöhnlich wäre. Bei uns wird sogar nur selten von den Provinzialbauern Gebrauch gemacht, bei denen freilich der österreichische ebenso, wie bei den sächsischen auf die Bühne gebrachten Jörgen und Kunzen der dortländische Dialect unvermeidlich ist .....« Nach dieser interessanten Beruhigung norddeutscher Gemüther versichert Sonnenfels, dass man auch die Ballete <Seite XVII:> »verbessern« und speciell Noverre derart der deutschen Schaubühne sichern werde, dass die von ihm geleitete Gesellschaft abwechselnd auf beiden Bühnen tanzen werde. Mit der äusseren Ausstattung werde man das Publicum überraschen.

Punkt 4 der Proclamation handelt von der löblichen Absicht, bequeme »Abänderungen« im deutschen Schauspielhause (Kärntnerthortheater) anzubringen; so solle u. A. »das Parterre noble erweitert und mit zureichenden, stufenweise erhöheten Bänken, wie in dem Theater nächst dem Burgthore versehen und Damen, auch sonst Jedermann mit den gesperrten Stühlen alle Gemächlichkeit angeboten werden, und überhaupt solle durchaus dieselbe Anständigkeit in beiden Schauspielen herrschen.« Ferner solle die gegen Regen und Schnee nicht genügend geschützte Anfahrt verbessert und durch Vorrückung des Vorsprungs bei dem Portale den Besuchern auch bei schlechtem Wetter ermöglicht werden, trockenen Fusses in's Haus zu gelangen; für gehende Besucher sollten einige Seitenthüren geöffnet werden.

In Punkt 5 wird versprochen, man werde das Publicum von unvorhergesehenen Abänderungen durch Anschlagzettel oder bei der Cassa verständigen und bei Unterbrechungen der Vorstellung durch einen Schauspieler Nachsicht erbitten.

Punkt 6 thut (ganz beiläufig) auch der nicht deutschen Schauspiele Erwähnung, welche ebenfalls – unbeschadet der vorzüglich auf Verbesserung der deutschen Bühne gerichteten Aufmerksamkeit – auf einen »der Hauptstadt der österreichischen Staaten würdigen Fuss gebracht werden sollten«. Für die Opera Buffa würden die beliebtesten Subjecta wiedergewonnen werden; man hofft, »künftiges Jahr dieses Schauspiel aus den besten Leuten dieser Gattung zusammengesetzt zu sehen ... Das französische Schauspiel soll nicht weniger durch fähige Schauspieler, und durch die Mannigfaltigkeit der Schauspiele anziehend erhalten werden« ...... Schliesslich wird das Publicum um Nachsicht für gewisse verschärfte Controlmassregeln beim Eintritt und darum gebeten, »Theatralbeyträge oder sonst gründliche Erinnerungen«, die stets mit Dankbarkeit entgegen genommen würden, an die »k. k. Theatral-Direction in der Schenkenstrasse im gräflich Batthyanischen Hause bei Herrn Theatral-Secretär v. Brahm« zu adressiren.

(Moriz des heil. röm. Reichs Ritter v. Brahm trat in Wien in die Dienste des Baron von Widmann, den er später auf den Gesandtenposten nach Schweden begleitete. Seine bekanntesten Stücke waren das Drama »Emilie« oder »Die glückliche Reue« und das einactige Lustspiel »Der ungegründete Verdacht.«)


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