Leonhard Bayrer: Vorrede [aus: Poetisches Magazin, Band 1, 1791]. In: Bayerische Bibliothek. Texte aus 12 Jahrhunderten. Hrsg. von Hans Pörnbacher. Bd. 3: Die Literatur des 18. Jahrhunderts. Das Zeitalter der Aufklärung. München: Süddeutscher Verlag 1990. S. 424-425.
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Leonhard Bayrer
Vorrede
[aus: Poetisches Magazin, Band 1, 1791]
Der lesebegierigen Jugend unschädliche Nahrung zu liefern war meine Absicht bey Anlegung dieses Magazines; und ich glaube dabey eben nicht eine entbehrliche Mühe auf mich genommen zu haben. Denn die meisten deutschen Dichter sind so bestellt, daß man sie der Jugend nicht in die Hände geben darf, ohne die guten Sitten der Gefahr des Verderbnisses auszusetzen; und die Sammlung eines Denis, Weitenauers u. s. w. kann die Lesebegierden derselben nicht stillen, weil sie nur in einem und anderm Bande besteht, mit deren Durchlesung der feurige, wißbegierige Jüngling bald fertig ist, und seiner Wißbegierde neue Nahrung suchet.
Ohne also den eben gedachten Sammlungen das Mindeste ihres Werthes zu benehmen; werde ich nach dem mir vorgesteckten Plane so viele Bände von diesem Magazine liefern, als viel erbauliches, nützliches ich in deutschen Dichtern, sie mögen nun Katholiken, oder Nichtkatholiken seyn, auffinde.
Geistliche Gedichte machen bey jedem Bande die erste, und profane Gedichte die zweyte Abtheilung aus, welche immer ein theatralisches Stück als ein Anhang begleiten wird. Zudem kömmt bey jedem Bande statt der Vorrede, oder Einleitung eine Abhandlung über einen poetischen Gegenstand, so wie in gegenwärtigem Bande die Abhandlung vom deutschen Sylbenmaaße, von den Reimen, und dem, aus den Griechen, und Römern nachgeahmten, Sylbenmaaße als eine Einleitung steht.
Die Namen der Dichter, aus derer Werken die Stücke geborget sind, setzte ich aus gewissen Ursachen nur mit dem Anfangsbuchstaben her.
Endlich setzte ich in diesem Bande das Sylbenmaaß vor jedes Stück bis zum Liedern Sineds bey. Wer nach Durchlesung aller dieser Stücke, die an der Zahl 64 sind, noch nicht weiß, welche Sylbe lang oder kurz ist, der hat kein deutsch Gehör, und soll sich ja doch niemal beykommen lassen, ein deutscher Dichter zu werden.
Uebrigens wünsche ich recht sehr, daß meine lieben, jungen Leser beym Gebrauche dieses Magazines doch nicht flüchtig darein gehen, sondern alles wohl durchdenken; zuweilen ein Stück in das Latein, und aus diesem wieder in das Deutsche übersetzen, und dann selbst Richter seyn möchten, ob, und wie weit ihre Kopie das Original erreichet hat.
Dieß ist alles, worüber ich glaubte bey der Herausgabe dieses Bandes dem litterarischen Publikum überhaupt, und ganz besonders den jungen Liebhabern der deutschen Dichtkunst Rechenschaft geben zu müssen.
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