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Brutus, Lucius Iunius. Brutus, Marcus Iunius. In: Grosses vollständiges Universal-Lexicon usw. 4. Band (Bl–Bz). Halle und Leipzig: Johann Heinrich Zedler 1733. Sp. 1693-1696. (Link zum digitalen Faksimile.)

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Brutus, (Lucius Iunius) ein Sohn Iunii, welcher Tarquinii Schwester geheurathet hatte. Weil der König Tarquinius alle edeln und geschickte Leute hinrichten ließ, und Brutus deßwegen auch seinen Vater und Bruder Marcum verlohren, stellte er sich gantz einfältig an und bekam daher den Namen Brutus. Einstmahls reiste er mit Tarquinii Söhnen nach Delphos, und opfferte dem Apollini Pythio Gold in einem ausgehöhltem Stocke, weil er es vor Tarquinii Söhnen nicht wohl thun mochte. Als sie nun zusammen den Apollinem um Rath fragten, welcher von ihnen Rom regieren würde, und sie zur Antwort bekamen, derjenige, so am ersten seine Mutter küssen würde, fiel er, da er aus dem Schiffe an das Land stieg, als wenn es von ungefehr geschähe, auf die Erde, und küßte solche als unsrer aller Mutter. Valerius Maximus VII. 3. Livius I. 56. Nicht lange hernach kömmt S. Tarquinio die Lust an, Collatini Frau die Lucretiam zu seiner Wollust zu gebrauchen, da er solches durch Gewalt ins Werck gestellt, Lucretia solches ihrem Manne erzählet und sich darauf erstochen, zieht Brutus ihr das Messer aus der Brust und schwert, daß er die gantze Königliche Familie ausrotten, und keinen König zu Rom wieder auf den Thron lassen wollte. Die andern, so zugegen waren, waren gleich mit ihm einer Meynung, und wurde also der König nebst seiner gantzen Familie aus Rom verjagt, welche A. V. 245 geschahe. Brutus wurde auch noch in demselben Jahre nebst Collatino der Lucretiæ Mann zum Bürgermeister erwählt Livius I. 58. seqq. Florus I. 9. Er verwaltete dieses Amt mit solchem Eifer, daß er auch seine Söhne Titum und Tiberium hinrichten ließ, weil sie wieder die Freyheit derselben etwas im Sinne hatten. Denn die Vitellier, deren Schwester Brutus zur Ehe hatte, hatten ein Bündniß gemacht, um Tarquinio wieder auf den Thron zu helffen, und hatten ihrer Schwester Söhne auch mit dazu genommen. Als nun solches entdeckt wurde, ließ er seine Söhne eben so wie die andern auf öffentlichen Platz führen, sie nackend mit Ruthen streichen, und ihnen die Köpffe abschmeissen, welches alles er mit unveränderten Augen und Minen ansahe. Livius II. 2. seqq. Dionysius V. 7. seq. Valerius Maximus V. 8. Florus I. 9. Augustinus de Ciuit. Dei III. 16. Plutarchus Parall. 20. seqq. In demselben Jahre büßte er vor die Republic sein Leben ein. Denn da Tarquini- <Spalte 1694:> us mit Gewalt sein Reich wieder einnehmen wollte, und es zur Schlacht kam, fieng sich dieselbe gleich mit einem Zweykampff zwischen Aruns, des Tarquinii Söhne und Bruto an, welcher so hitzig war, daß sie beyde auf dem Platze blieben. Livius II. 6. Florus I. 10. Aurelius Victor de Vir. III. 10. Er schaffte die Menschen=Opffer in Rom ab, und verordnete, daß an statt derer Kinder Köpffe, welche der Maniæ und Laribus geopffert wurden, Mohn=Köpffe oder Knoblauch genommen würden. Macrobius Saturnal. I. 7. Ob die andern Bruti, deren wir hier gedencken, von diesem abstammen, ist nicht ausgemacht. Einige läugnen solches, und sagen dieser Brutus habe seine Kinder wie gedacht umbringen lassen, und keine Nachkommen hinterlassen, die folgenden Bruti wären aus einer Familia plebeia, und hätten sie wenig Ahnen zählen können, die zu Aemtern gezogen worden. Andre sagen, sie wären allerdings dieses Iunii Bruti Nachkommen, indem nur 2 Söhne hingerichtet worden, der jüngste und dritte aber habe den Stamm fortgepflantzt. Doch sagen andere, daß beydes beysammen stehen könnte, indem sie wohl ihr Geschlecht als patricii hätten können bey Seite setzen und sich als plebeii aufführen, gleichwie solches die Octauii gethan. Dionysius Halicarn. Plutarchus in Bruto p. 984. Rutilius in vitis Ictorum in M. Bruto. Christoph. Lud. Crell. Disp. L. Iunius Brutus. Lips. 1721.

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Brutus, (Marcus Iunius) ein Sohn M. Iunii Bruti und der Seruiliae, einer Schwester des Catonis, wurde sonderlich in denen Bürgerlichen Kriegen zu Rom bekannt. Als der Krieg zwischen Caesare und Pompeio angieng, vermeynte jedermann, er würde auf Caesaris Seite treten, weil Pompeius Bruti Vater umbringen lassen. Allein er wollte der Wohlfahrt des Vaterlands seine Priuat-Rache hintansetzen, indem er Pompeii Sache vor die gerechteste hielt. Anfangs gieng er als Legatus mit Sestio nach Sicilien, weil er aber sich daselbst aus Mangel der Gelegenheit nicht hervorthun konnte, und hörte, daß Pompeius und Caesar einander eine Haupt=Schlacht lieffern wollten, begab er sich von frey= <Spalte 1695:> en Stücken nach Macedonien, wo ihn Pompejus sehr freundlich empfieng. Da es zum Treffen kam, und Pompejus die bekannte Pharsalische Schlacht verlohr, begab sich Brutus nach Larissam, wo er an Cæsarem schrieb. Dieser hatte schon vor der Schlacht seinen Officirern anbefohlen, Brutum im Treffen zu verschonen, welches von der Liebe Seruiliæ gegen Cæsarem seinen Ursprung hat, denn weil selbige zu der Zeit, da sie den Brutum zur Welt gebohren, mit Cæsare öffentlich in grosser Vertraulichkeit gelebt, hat Cæsar Brutum als seinen Sohn angesehen, und sich allezeit gegen ihn auf das liebreichste bezeiget. Suetonius Cæsar. 50. Er ließ ihn dahero von Larissa zu sich kommen, und empfieng ihn sehr freundlich. Als Cæsar wieder Catonem und Scipionem zu Felde gehen wolte, vertraute er Bruto Galliam Cisalpinam an, welche er auch mit grossem Verstande regierte. Nach diesem gab Cæsar ihm auch die Præturam vrbanam, ungeachtet Cæsar selbst gestand, daß Cassius solche eher verdient hätte. Alles dieses konte Brutum nicht bewegen, des Cæsaris Partey zu halten, sondern die Röm. Freyheit war ihm am meisten angelegen. Hierzu wurde er noch mehr angereitzt, als an seines Anherrn des Lucii Junii Bruti Zeddel angemacht waren, darauf stand: Ach! wenn du ietzo da wärest, Brute! Wenn du doch lebtest, Brute! An seinem Richter=Stuhl stund angeschrieben: Brute, schläffest du? Er ließ sich also bewegen, sich mit denen Conspiranten wieder Cæsarem zu verbinden, welches er auch A. V. 710 in das Werck stellen halff, und soll Cæsar, als er unter seinen Mördern ihn erblicket, sich vornemlich gewundert und zu ihm gesagt haben: Auch du mein Sohn. Suetonius Cæs. 80. seqq. Vellejus Paterculus II. 56. Die andern hatten den Rath gegeben, Antonium auch zu ermorden, welches aber Brutus wiederrieth, und dadurch verursachte, daß die Sache nicht nach ihrem Wunsche ausschlug. Denn Antonius bewegte das Volck durch die durchstochenen und mit Blut bespritzten Kleider, und durch die von Cæsare dem Volcke bestimmten Legata zum Mitleiden und Rache, also daß Brutus und Cassius gezwungen wurden, Rom zu verlassen. Sie giengen nach Griechenland, und brachten daselbst eine starcke Armee auf die Beine, mit welcher er Octauio und Antonio entgegen gieng, worauf es A. V. 711 bey Philippis zur Schlacht kam, darinnen Cassius aus dem Felde geschlagen wurde, Brutus hingegen trug auf seinem Flügel den Sieg davon, weil er aber des Cassii Unglück spät erfuhr, konte er demselben nicht zeitig genung zu Hülffe kommen, indem seine Soldaten mit Plünderung des feindlichen Lagers beschäfftiget waren. Er samlete hierauf des Cassii Leute wieder, indem Cassius wegen des erlittenen Verlusts durch Pindarum seinen Freygelassenen sich das Leben nehmen ließ. Vellejus II. 70. Brutus ließ Cassii Leuten Geld austheilen, um sie desto besser auf seine Seite zu bringen, und hielt sich gegen die Feinde sehr tapffer. Unterdessen hatte seine Flotte den grossen Transport derer Völcker, die aus Italien Octauio geschickt wurden, geschlagen, welches aber Brutus nicht eher als 20 Tage hernach erfuhr, sonst hätte er die Feinde mit Stillesitzen aufreiben können, indem seine Feinde dadurch von allem Succurse entblößt waren, daher sie sich auch der Gelegenheit bedienten, und den Brutum zu einem neuen Treffen brachten, darinne er alles that, was nur von einem klugen und tapfern General kan gefordert werden, schlug <Spalte 1696:> auch an denen Orten, wo er commandirte, die Feinde, aber Cassii Soldaten, welche noch von der vorigen Schlacht bestürtzt und furchtsam waren, kehrten bald den Rücken. Nach dem Treffen, welches sich mit dem Tage endigte, retirirte sich Brutus in die Höhle eines Felsens, wohin auch einige seiner guten Freunde kamen. Ungeachtet nun seine Soldaten sich in das Lager zurück gezogen hatten, und daselbst noch den Feind tapffer abhielten, auch Bruto solche durch Zeichen zu verstehen geben suchte, so konte er doch dieselben an dem Orte seines Aufenthalts nicht sehen, und da auch Statilius, welcher sich um den Zustand der Armee erkundigen solte, nicht wiederkam, indem ihn die Feinde niedergehauen hatten, schätzte Brutus alles verlohren, und setzte den schon längst gefaßten Schluß in das Werck, indem er erst Volumnium bat ihn zu erstechen, als aber dieser ihm zur Flucht riethe, gab er zur Antwort: Mit denen Händen und nicht mit denen Füssen müste man fliehen. Hierauf gab er iedem die Hand, und sagte mit einer sehr freundlichen Mine: Es vergnüge ihn nichts mehr, als daß niemand von seinen Freunden ihm untreu worden, sondern er müste es dem Unglücke des Vaterlandes zuschreiben, schätze sich aber glücklicher als seine Ueberwinder, nicht allein in Ansehung des vergangenen, sondern auch des gegenwärtigen Zustandes, weil er den Ruhm eines Tugendhafften hinter sich ließ, welchen seine Ueberwinder weder durch Gewalt noch Geld erlangen würden, indem sie durch Unterdruckung rechtschaffener Leute eine Herrschafft, die ihnen nicht gehörte, an sich gezogen. Hierauf gieng er mit zwey oder dreyen bey Seite, und fiel selbst in sein Schwerd, oder wie andere wollen, that solches sein Vertrauter Strato auf sein inständiges Ansuchen. Diß geschahe A. V. 712. Vellejus II. 70. Aurelius Victor de Vir. III. 82. Seinen Cörper schickte Antonius mit einer kostbaren Kleidung angezogen der Stertilaæ, Bruti Mutter, wiewohl Dio und Suetonius in Aug. 13 schreiben, der Kopff sey nach Rom geschickt worden, und habe unter Cæsaris Statue kommen sollen. Zu Mayland wurde ihm eine Statue von Ertz aufgerichtet; Suetonius de Clar. Rhetor. 6. Als nun Octauius bey seiner Durchreise dieselbe betrachtete, stellte er sich zornig gegen die Obrigkeit, daß sie seinen Feinden Ehren=Säulen aufrichteten, als aber dieselben erschracken, sagte Octauius lachende: Er müste sie loben, daß sie auch in Unglück ihren Freunden beständig geblieben, und befahl ihnen, daß die Statue nicht solte weggeschafft werden. Sonst wird Brutus als ein tugendhaffter Mann gelobt, welcher unter allen Mördern des Cæsaris allein die Freyheit des Vaterlandes zum Zweck gehabt, hat auch dieselbe aller Bequemlichkeit und allen Reichthum vorgezogen. Er war ein vortrefflicher Redner und Philosophus, und pflichtete derer Stoicker Sätzen bey. Seine Lust zum Studiren war so groß, daß er auch im Lager, und wenn die gefährlichsten Treffen gehalten werden solten, die Bücher nicht bey Seite legte, hat auch selbst einige verfertiget, als einen Auszug aus der Römischen Historie und des Fannii und Antipatri, einen Tract. de Officiis, einen von der Tugend, einen von der Gedult, unterschiedene Reden, worunter das Lob des Catonis; wie auch einige Briefe von ihm unter Ciceronis Briefen zu finden sind. Plutarchus in Bruto p. 984. seqq. Appianus de bell Ciuil. II. & III. p. 811. seqq. Cornelius Nepos in Attic. 8. Cicero Tusc. Qu. V. 1. de Fin. I. 3.


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