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Römische Historie von Erbauung Der Stadt Rom, Bis auf die Schlacht bey Actium, oder das Ende der Republic: aus dem Französischen Des Herrn Rollins ins Deutsche übersetzet. Erster Theil. Leipzig: Joh. Julius Schönermarck 1739. S. 285-286.

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Ich komme auf mein voriges zurück, um mit wenig Worten zu untersuchen, was man von der That des Brutus, da er seine Söhne hinrichten ließ, dencken müsse. War es Standhafftigkeit oder Unempfindlichkeit bey ihm? Soll man des Brutus Vaterlandes Liebe loben? Soll man seine Grausamkeit gegen seine Kinder verfluchen? Er stellet hier zwey Personen vor; eines Burgermeisters und eines Vaters; und er solte beyden Pflichten, ein Genügen thun. Als eine öffentliche Person, hatte er nichts vor Augen, als den Nutzen des Staats. Er war wegen der äusersten Gefahr, welche seinem Vaterlande bevor gestanden hatte, empfindlich gerührt, von welcher er dasselbe durch eine wunderbare Vorsorge des Himmels errettet hatte. Die neue Regierung gefiel nicht jedermann. Tarquin hatte in Rom eine grosse Anzahl Creaturen; die Verschwörung war ein Beweis davon. Brutus konnte bey Verschonung seiner Kinder, auch keinen andern von den Verbrechern straffen. Eben dieselbe Gelindigkeit, <Seite 286:> die sie vom Tode errettet hätte, hätte ihn auch vermögen können, sie aus dem Elend zurück zu ruffen. Ihre Zurückkunfft ließ der Stadt alles fürchten von jungen verdorbenen und wollüstigen Leuten vom höchsten Range, welche fähig gewesen waren ein Complot zu schmieden, wobey das geringste Verbrechen der Untergang ihres Vaters und Vaterlandes war. Brutus wollte die Gemüther in Schrecken setzen. Er wollte auch den Römern auf ewig einen unüberwindlichen Haß gegen die königliche Würde und die Tyranney einprägen. Eine schlechte Verbannung konnte diese Würckung nicht thun. Allein ein Vater, welcher gezwungen ist selbst das Blut seiner eignen Kinder zu vergiessen, war eine Sache, deren Andencken niemals ersterben, und deren Abscheulichkeit bis auf die letzten Zeiten gebracht werden solte. Dieses war in der That der Eindruck, den diese blutige Verrichtung in den Gemüthern der Römer hinterließ, daß man in gewissen Verstande sagen kan, wie sie seit dem den Römern beständig vor Augen geschwebet.

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Römische Historie von Erbauung der Stadt Rom, bis auf die Schlacht bey Actium, oder das Ende der Republik. Aus dem Französischen des Herrn Rollin ins Deutsche übersetzt. [Dieser und alle weiteren der insg. 16 Bände wurden nach Rollins Tod von Jean-Baptiste-Louis Crevier geschrieben.] Zehnter Theil. Breslau: Johann Jacob Korn 1760. S. 274-275; S. 374-375; S. 478-480. [Den letzten Auszug hat Gellert zur Grundlage seines Gedichts »Der gehoffte Ruhm« gemacht.]

<Seite 274:>

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Sobald Präneste über war, begab sich Sylla in eigener Person dahin. Lucretius hatte bereits verschiedene Rathsherren von des Marius Parthey, die er im Orte antraf, hinrichten lassen, Sylla machte den Garaus, und verurtheilte die- <Seite 275:> jenigen, die sein Unterfeldherr ins Gefängniß geworfen hatte, zum Tode. Nachgehends befahl er, es sollten alle in der Stadt befindliche Römer besonders zusammentreten, die Pränestiner und Samniter gleichfalls, jedwede Landsmannschaft besonders. Zu den Römern sagte er, sie hätten zwar das Leben verwirket, unterdessen wolle er es ihnen als seinen Landsleuten hiermit schenken. Was die Pränestiner betraf, so fieng er an zu untersuchen, wie weit etwa ein jeder sich versündiget haben möchte, damit er sein Verfahren darnach einrichten könnte. Allein, weil ihm die Sache zu weitläuftig fiel, und er keine Zeit dazu hatte, so befahl er sie nebst den Samnitern, als die er nie begnadigte, ohne weitere Umstände niederzuhauen. Nur einen einzigen Pränestiner nahm er aus, nämlich denjenigen, in dessen Hause er war. Allein dieser großmüthige Mann sagte, er werde es nimmermehr zugeben, daß sein Leben ein Geschenke von dem Henker seiner Landesleute werden sollte; damit lief er mitten unter sie hinein, und ließ sich gleichfalls niederstoßen. Die Anzahl aller derer, welche bey dieser Gelegenheit niedergemetzelt wurden, belief sich nach dem Plutarchus auf zwölf tausend. Niemand wurde verschonet als die Weiber und Kinder. Die Stadt wurde Preiß gegeben, und ihr Gebiete zum Vortheile des römischen Volkes eingezogen.

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<Seite 374:>

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Pompejus brachte das diesseitige Gallien ohne die geringste Schwierigkeit zum Gehorsam. Das einzige Modena, darein Brutus sich geworfen hatte, machte ihm lange zu schaffen. Endlich lief die Sache gleichwohl zu des Pompejus Vergnügen ab, und Brutus lieferte sich in seine Hände, entweder aus eigenem Triebe, oder weil ihn das Ausreißen seiner Soldaten dazu zwang. Dem Ueberwinder brachte sein Verfahren gegen seinen Gefangenen keine sonderliche Ehre; denn erstlich ließ er ihn unter einer Bedeckung nach Reggio abführen; den folgenden Tag schickte er den <Seite 375:> Geminius nach, der ihn niedermachen mußte. Was die That noch unverantwortlicher machet, ist dieses, daß er anfänglich an den Rath schrieb, Brutus habe sich freywillig und aus eigenem Triebe ergeben. Aber nachdem er ihn aus dem Wege geräumet hatte, nahm er eine andere Sprache an, und legte den Erwürgten in einem zweyten Schreiben ungemein vieles zur Last. Es ist dieses allerdings ein Schandfleck in des Pompejus Leben, und der berufene Brutus, ein Sohn des nurgemeldeten, verzieh dem Pompejus seines Vaters Tod nicht eher, als bis es das gemeine Beste nach seiner Meynung erforderte.

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<Seite 478:>

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Aus dem bereits erwähnten erhellet zur Genüge, wie viel Cicero auf sein Quästoramt sich einbildete; ja er gesteht selbst, er habe bey seiner Abreise aus Sicilien den Kopf so voll davon gehabt, daß er geglaubt, man rede zu Rom von keiner andern Sache, als von seinem rühmlichen Verhalten. Dergestalt stutzete er gewaltig, als ihn bey der Durchreise durch Puzzuolo, wo eben <Seite 479:> damals wegen der bequemen Jahreszeit eine große Menge Badegäste beysammen war, der erste Bekannte den er antraf, fragte, wenn er von Rom weggereiset sey, und was neues da vorgehe? Ich komme nicht von Rom, antwortete Cicero mit einem verdrießlichen Wesen, sondern aus meiner Landschaft. Ach! das ist wahr; fieng der Fragende wieder an: nicht so? aus Africa. Hierüber ärgerte sich Cicero noch mehr, und versetzte ziemlich hitzig, seine anvertraute Landschaft sey Sicilien gewesen, nicht aber Africa. In dem kam der dritte Mann dazu, verwies es jenem, daß er gar keine Kenntniß von dem was vorgehe besitze, und sagte: Du solltest es billig wissen, daß Cicero als Quästor zu Syracusa gestanden hat! Nun war er vorhin gemeldeter maßen zu Lilybäum gewesen. Als Cicero das hörete, schickte er sich, als ein Mann der zu leben weis, in die Sache, er ließ die Einbildung fahren, daß man ihn für einen dem Staate unentbehrlichen Mann ansehen müsse, und mischte [...] sich unter den dickesten Haufen, als wenn er gleich den andern, bloß der Brunnencur zu Gefallen hier wäre.

<Seite 480:>

Diese dem Ansehen nach, geringschätzige Begebenheit, brachte ihn auf sehr ernsthaftige Ueberlegungen. Er sah nunmehr ein [...], das römische Volk gebe wenig Achtung auf das, was es höre, sondern nur auf das, was ihm in die Augen falle. In diesem Augenblicke ergriff er die Entschliessung, beständig in der Stadt zu verbleiben, seinen Mitbürgern immer vor den Augen herum zu gehen, und den Marktplatz gleichsam zu seinem Wohnplatze zu machen; weil er auch seine ganze Hoffnung höher zu steigen, bloß auf seine Beredsamkeit gründete, so suchte er nicht nur durch öftere und treffliche Reden vor Gerichte, einen großen Ruhm zu erwerben, sondern er war auch einem jedweden der seiner Hülfe bedürfen möchte, mit solchem Eifer zu dienen bereit, daß man ihn sowohl bey Tage als des Nachts zu jedweder beliebigen Stunde sprechen konnte, und nie einiger Mensch seine Thüre verschlossen fand.

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