Andres, Astrid: Individuum und Teufelssymbol. Joachim Wilhelm von Brawe »Der Freigeist«. In: Die Figur des Bösewichts im Drama der Aufklärung. Diss. masch. Freiburg i. Br. 1955. S. 151-158.
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3. Joachim Wilhelm von Brawe »Der Freigeist«.
Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen aus dem Jahre 1757 (1).
(Individuum und Teufelssymbol)
Alle Dramatiker der fünfziger Jahre zeigen sich in einem Punkte verbunden: sie befinden sich, ob sie es wollen und wissen oder nicht, in der Auseinandersetzung mit dem Weltbild Gellerts. Entsprechend den Temperamenten verläuft diese verschiedenartig, schwungvoll und sehr subjektivistisch, halber Sturm und Drang (Bei Pfeil), konventionell empfindungsbetont (bei Cronegk), primitiv und drastisch (bei Martini), analysierend und reflektiert (bei Brawe).
Fast immer aber lassen sich die Dramenfiguren scheiden in solche, die noch echte Gellertfiguren sind (die Väter, Freunde und die zugleich väterlich-freundschaftlichen Diener), in die einer zweiten Gruppe, die negativ gesehen hinter den Idealen der Gemeinscha[fts]kultur zurückbleiben, positiv dabei sind, sich als Individuum zu entdecken und die sich in der Auseinandersetzung mit den Gesetzen des Ichs und denen der Umwelt befinden, (das sind ausnahmslos die Helden der Stücke, die gebrochenen Typen, die sich auf dem Wege zur Charakterfigur befinden) und drittens die Zerstörer der idealen Welt, die Unbürgerlichen, Subjektiven und Bösewichter, deren Zahl erstaunlich gewachsen ist.
Die kritische Auseinandersetzung mit dem Gellertschen Weltbild und besonders den Möglichkeiten und Wirklichkeiten des Bösen in dieser Zeit wird aber wohl in keinem Drama so weit vorangetrieben wie in Brawes »Freigeist«, obwohl man gerade von diesem jungen Dichter bedenkenlos behauptet hat »Alles ist Anschauung und Spra-
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che eines Musterjünglings, wie ihn Gellert sich als Ideal vorstellte, wie die moralischen Vorlesungen ihn auszubilden strebten ...«
(1).
Das Abenteuerliche seiner Unternehmung wird bereits im Titel seines Dramas vorweggenommen. Das unbürgerliche Lebenselement kommt ganz gross zu Wort. In der direkten Überschneidung der beiden Problemkreise, bürgerliches Trauerspiel einer-, Freigeisterei andererseits, werden nicht nur zwei wichtige und sich im scharfen Gegensatz befindende Zeitformen sehr eindrucks- und bedeutungsvoll miteinander verschmolzen, sondern Brawe geht noch ein Stück weiter, indem er zeigt, dass das Bürgerliche dem Ausserordentlichen, vor allem, wenn es von der geistigen Seite her eindringt, nicht mehr gewachsen ist. Die bürgerliche Ordnung und die Gemeinschaftskultur Gellerts, solcherart zur Diskussion gestellt, erweist sich als Tragfläche nicht stark genug, um das Ausserbürgerliche, Abenteuerliche zu überwinden. Sie geht an ihm zugrunde.
Es gehört in diesen Zusammenhang, dass alle Figuren in diesem Drama aneinander vorbeireden und -handeln. Die Möglichkeit der Verständigung als notwendige Grundlage, auf der sich eine bürgerliche Gemeinschaftskultur entfalten könnte, existiert nicht mehr. Die Beziehungslosigkeit zwischen den einzelnen Gestalten gründet sich gar nicht so sehr in der dramatischen Unzulänglichkeit des jungen Dichters, die Figuren miteinander zu verknüpfen
(2),
als darin, dass der Held, der ursprünglich ideale Tugendvertreter und Bürger, Clerdon, nicht nur allein das unbürgerliche Lebenselement in sich trägt, sondern, dass er jede Verständigung mit dem »Pöbel« – das sind die normalen Bürger mit ihren Vorurteilen – ablehnt, wodurch es auch zwischen ihm und Granville zu den tödlichen Missverständnissen und zur Katastrophe kommt. Wieweit sich Brawe aber in diesem Drama aus dem Kreise der bürgerlichen Denkart gelöst hat, zeigt sich wohl am Überzeugendsten an Henley. Er fällt zwar einer rein moralischen Verurteilung und Strafe anheim, aber es lässt doch Brawe die bürgerliche Moral über ihn nicht siegen, sondern Henley besiegt diese und stirbt ungebrochen (3).
Ganz im Sinne Gellerts dürfte nur eine einzige Gestalt geraten sein, die des selbstlosen, liebes- und leidensbereiten
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Granville, der noch einmal das von Gellert geforderte ideale Menschentum verkörpert. Er ist noch im Besitz der alten Gefühls- und Ideenwerte, aber gerade er wird von Clerdon, der Hauptfigur, hinter der man noch immer den Dichter vermuten darf, als unglaubwürdig empfunden. Für ihn ist kein Platz mehr in der neuen Welt, der Skepsis, Kritik und Selbstbewusstsein eigen ist, und so geht er, weil er seine Ideale nicht mehr in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu bringen vermag, an ihnen zugrunde.
Truworth, der Diener Clerdons, der sich an dessen Stelle als Mörder dem Gericht stellen will, da er auf dem Standpunkt steht: »Was schadet es, ob auch die Welt, dass ich als ein Bösewicht sterbe, wenn nur Gott weiss, dass ich unschuldig bin! –« (V,4), erinnert stark an Sara Sampson und ihre Tugendauffassung, die sie Mellefont gegenüber wie folgt äussert: »Ich will mit Ihnen nicht um der Welt willen, ich will mit Ihnen um meiner selbst willen verbunden sein. Und wenn ich es bin, so will ich gern die Schmach auf mich nehmen, als ob ich es nicht wäre« (I,7). Beide sind sich darin einig, dass das Urteil der Welt keinen Wert besitzt. Das ist durchaus unbürgerlich gedacht und auch subjektivistisch. Der Mensch ist sich selbst zum Mass geworden.
In einem noch höheren Grade subjektivistisch ist Amalia, die frühere Geliebte Clerdons und Schwester des Granville, zu nennen. Ist das wirklich noch eine der frühen, ungebrochenen Figuren im Sinne Gellerts, wenn sie Rache für ihren im Zweikampf ermordeten Bruder fordert und erst durch den sterbenden Bruder daran erinnert werden muss, dass es eigentlich ihre Pflicht sei, zu verzeihen? – In Amalia und Granville ist die Tugend übrigens ganz in das Nebenspiel zurückgedrängt worden.
Die Rache ist ein Motiv, das hohe subjektivistische Geltung besitzt, und es ist weiter ein Anzeichen dafür, dass neben der Ideenwelt auch die Gefühlswelt der Gemeinschaftskultur verlassen worden ist, und neue Gefühlswerte an ihrer Stelle getreten sind. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet steht der »Freigeist« in einem neuartigen Licht da. Die Rache spielt nämlich in diesem Drama eine ganz ungewöhnlich grosse Rolle. Wenn man bedenkt, dass drei von vier Hauptfiguren dieses Stückes sich damit beschäftigen, Rachegedanken und -plänen nachzugehen, so entsteht der Eindruck, dass hier eine Art dramatischer Rachegesang geschrieben worden ist. »O Triumph! O Rache!« lauten die letzten Worte dieses
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Dramas, und das eine der beiden Vorbilder zum »Freigeist« trug bezeichnenderweise den Titel »The Revenge«.
Gegenüber Amalia, die nur von Rache spricht, handelt Clerdon aus diesem Gefühl heraus. An ihm fällt vor allem die Aktivität auf, die zur subjektivistischen Lebenshaltung gehört, wie die Passivität an die Objektivität gebunden war.
Rachsucht in der Verbindung mit Ehrsucht bestimmt das Leben Henleys ausschliesslich, als letzte Steigerungsstufe des Rachemotivs. Henley ist damit eine hochsubjektivistische Gestalt und sie ist das noch in einem stärkeren Masse und tieferen Sinn als Schlegels Ulfo. Dort erschien die Ehre an den Ruhm gebunden; das subjektive Gefühl konnte nur genossen werden, wenn es sich eine objektive Geltung verschafft hatte, in den die Welt davon Kenntnis nahm. Die Rache, als ein negativ in Erscheinung tretendes Ehrenmotiv, ist dagegen ausschliesslich auf die Person des Gefühlsträgers bezogen. Brüggemann nannte wohl um dieser Introvertiertheit willen die Rache bei Henley ein psychologisches Motiv, das »den tieferen Sinn des ganzen Dramas«
(1)
enthält. Das liegt aus dem Grunde nahe, weil Henley selbst seinen Diener darauf aufmerksam macht: »Kenne seinen ganzen Charakter« (I,1) und ihn und damit die Zuschauer auffordert, ihn nicht als Abstrakten, sondern als lebendigen, individuellen Menschen zu betrachten. Damit stellte er einen nicht geringen Anspruch an Zuschauer, die doch daran gewöhnt waren, die Menschen auf der Bühne (mit Ausnahme Ulfos) die Sprache Gellerts sprechen zu hören. Hier aber ist eine Rache am Werk, die ihren Gegenstand noch »jenseits des Grabes« (V,6) zu verfolgen sich imstande fühlt: »Gemeine Geister sind zufrieden, wenn sie ihren Gegner nur ihre itzigen Tage vergiften. So enge Grenzen sind für mich nicht gemacht« (I,3). So stellt sich an dieser Stelle heraus, dass die psychologische Kategorie als Interpretationsmittel nicht ausreicht, die Gestalt Henleys zu fassen, die in ihrer spezifischen Kombination von Hochmut, Neid
(2)
und Rachsucht die menschlichen Grenzen überschreitet. Die Teufelsanalogien, die bei anderen Bösewichtern erst in einer tieferen Schicht verdeckt erkennbar sind, liegen hier auf der Hand. Henley tritt auf als metaphysischer Verführer zum Bösen: »Er (Clerdon) hat nicht das Herz, ganz ein Bösewicht zu sein. Doch, er soll es werden –
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und der gestrafteste dazu« (III,1). Die Strafe besteht darin, dass Clerdon seiner ewigen Seligkeit verlustig geht. Und Henley weidet sich daran, der mittelalterlichen Teufelsfratze gleich, die von den Aussenseiten der Münster auch im 18. Jahrhundert auf die Menschen der Stadt herabgrinste: »O Wollust, wenn nun alle betrügerischen Nebel für seinen Blicken zerfliessen ... Wenn Schmerz, Reue, Verzweiflung seine Seele gleich aufrührerischen Wogen durchstürmen, wenn er nun alles verloren und ich dann, der Urheber seines Elends, mit triumphierenden Hohn auf seine Ruinen herabsehe! –« (IV,3). Im Verlauf des Spiels kristallisieren sich die Teufelsparallelen immer stärker heraus, bis zur Ausschliesslichkeit in der Schlusszene des Dramas, wo Clerdon sich fragt: »Rede ich mit einem Menschen?« und erkennt: »Nein, die Hölle redet aus dir Ungeheuer, ihrer sind diese Gesinnungen wert –«. So durchzieht das ganze Stück ein mythologisches Spiel mit mittelalterlichen, theologischen Teufelsvorstellungen, wobei etwa wegen der pathologischen Seite Henleys an das luziferische Prinzip zu denken wäre. Gleich dem Teufel als gefallenem Engelfürsten hat Henley etwas Doppelgesichtiges. In dieser Wichtung muss auch die Recension des Dramas durch Mendelssohn und Nicolai verstanden werden, worin die Behauptung aufgestellt wird, »dass derjenige, der es für die allerentsetzlichste Sache hält, seinen Feind lasterhaft zu machen, eine grosse Anlage zur Tugend haben müsse«, eine Ansicht, die Lessing zwar paradox nannte, aber wahr
(1).
Die Freigeisterei, als das unbürgerliche Lebenselement, das die Formen des Lasterhaften angenommen hat, steht der Absicht nach im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Da sie aber niemals in ihren Auswirkungen direkt gezeigt wird, – von dem Mord an Clerdon kann wohl abgesehen werden, weil dieser sehr wenig mit »Freigeisterei« zu tun hat – wirkt sie akademisch. Auch wird sie dadurch, dass jeder Teilnehmer der Handlung eine Definition darüber abzugeben versucht, in ihrer Begrifflichkeit verunklärt.
Granville spricht von den Freigeistern als von einer »Rotte verwegener Bösewichter ... die in Ansehung ihres Verstandes des Tollhauses und in Ansehung ihres Herzens der schimpflichsten Todesstrafe würdig wären« (II,6). Damit gibt Brawe eine sowohl neutrale wie allgemeingehaltene Beschreibung der Freigeisterei in Ermangelung genauer Kenntnis, was darunter zu verstehen sei.
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Das ist charakteristisch, wenn man bedenkt, dass »Freigeisterei« zu einem Sammelbegriff für alle möglichen Arten von Lastern geworden war, von den leichten Formen der frivolen Spötterei, des unsittlichen Lebenswandels über wirkliche Verbrechen, die auch unter dem Deckmantel der Freigeisterei ihren kriminellen Charakter verbergen, bis hin zur Gottesleugnung, die offenbar noch schwerwiegender als jedes Verbrechen beurteilt wurde.
Clerdon selbst führt, so weit man sehen kann, einen unsittlichen Lebenswandel als Freigeist. Er ist auch im Sinne Gellerts echt darin, dass er ein verführtes Opfer ist, das sich am Ende bekehrt und das vor allem kein Gottesleugner sein will. So recht klar wird aber gerade das nicht: welche Rolle die Religion im Rahmen der Freigeisterei spielt. Clerdon selbst faselt darüber, ohne dass er selbst genau wüsste, welche Stellung er zu ihr einnimmt. Granville versucht ihn darüber aufzuklären: »Durchforschen Sie sich unparteiisch. Wann wurden Sie ein Freigeist? War es nicht der unglückliche Zeitpunkt, mit dem sich zugleich Ihre Ausschweifungen anfingen? War es nicht der Hass gegen eine verdriessliche Lehrerin (die Religion), die Ihnen Ihre Fehler verwies?« (II,6). Über die Freigeister, die Gott leugnen, urteilt er: »Eines solchen Grades der Raserei sind nur die Verworfensten des menschlichen Geschlechtes fähig. Ich will es Ihnen zugestehen, Sie gehören zu denen, die auf das stolze Bekenntnis einer natürlichen Religion trotzen« (II,6). Es erweist sich aber, dass auch mit der natürlichen Religion keine festen Vorstellungen bei Brawe verbunden sind. Immerhin wird sie als die Quelle des Lasters bezeichnet und damit hätte Brawe die ganz ungeheuerliche, vom Standpunkt der Aufklärungsreligion aus betrachtet geradezu blasphemische Behauptung aufgestellt, dass die natürliche Religion zum Laster führe oder doch immerhin etwas mit dem Laster zu tun habe – wenn nicht Granville doch letzten Endes der Meinung wäre, Clerdon habe seinen Gott treulos verlassen und sich frevelhaft wider ihn aufgelehnt (II,6). Das hat den Vorteil, dass es mit den Aussagen Henleys übereinstimmt, der darauf beharrt, Clerdons Glauben zerstört zu haben.
Das Laster soll also – ganz eindeutig zielt alles darauf ab – nicht nur durch den Trieb oder durch den mangelnden Verstand oder durch die fehlgeleitete Vernunft allein begründet werden, sondern in erster Linie im Abfall vom Glauben. Diese Erkenntnis in Bezug
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auf das Laster und seine Herkunft bestimmt den Begriff der Lasterhaftigkeit in seiner Geltung innerhalb der fünfziger Jahre. Es muss als wichtiger Entwicklungspunkt in der Geschichte des Bösen, so wie das Drama der Aufklärung sie versinnbildlicht, gewertet werden, dass hier zum ersten Mal die Quelle des Bösen wieder im mangelnden Glauben an Gott und damit im Abfall vom christlichen Menschenbilde gesucht wird.
Was für das Laster ganz allgemein gilt, gilt für den Bösewicht und die Theologie des Teufels noch in verstärktem Masse. Noch deutlicher als in ihrer Motivik führt diese Figur in ihrer symbolischen Aussagekraft, die sie reizvollerweise neben ihrer menschlichen Individualität besitzt, ins Mittelalter zurück, als die Teufel zwecks Seelenfanges unterwegs waren. Henley ist, das wird genügend betont, ein Geschöpf der Hölle, und es wirkt deshalb gar nicht verwunderlich, wenn sich mit dem Inhalt seiner Rede auch sprachliche Parallelen ergeben. Sein Entsetzensruf: »Ha! mein Opfer entgeht mir« (II,7) als er im Verstecke lauernd mit ansehen muss, dass die Bemühungen Granvilles um Clerdon scheinbar vom Erfolg gekrönt sind, identifiziert ihn. Hier spricht nicht nur ein extrem böser Mensch, sondern hier spricht der Teufel persönlich, und zwar einer, der sich geprellt fühlt. Er ist hier für kurze Zeit Buffoteufel. Tatsächlich erinnert der Kampf zwischen Henley und Granville um Clerdon an die mittelalterlichen Kämpfe, die Teufel und Engel um die Seele des Menschen führten. (s. das Magdalenenspiel) Um die Seele geht es hier wirklich. Ihretwegen will Granville Clerdon der Religion wieder zuführen und Henley ihn abziehen. Es geht um die Seele in ihrer Bindung an die christliche Ordnung und an Gott.
Diesem Kampf sind nur unstoffliche Mittel angemessen. Und so bedient sich Henley der Melancholie als einem Mittel der Seelenzerstörung. Der Bösewicht arbeitet hier mit alten, bewährten, widerchristlichen Mitteln und nicht ohne Erfolg. In eingekleideter Form, so dass es dem Dichter und seinem Publikum kaum selbst bewusst war, lebt mitten im teufelsfeindlichen 18. Jahrhundert wieder altes Mysterienspielgut auf der Bühne auf. Als das christliche Mittelalter die Dämonen der Heiden aus dem Gedankengut der Menschen eliminieren wollte, setzte es den Teufel an ihre Stelle. Als das 18. Jahrhundert den Teufel aus seinen religiösen Vorstellungen verbannte, trat der Bösewicht voll mythologischer Bedeutung
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an seine Stelle. Dennoch ist hier die Überwindung des Aufklärungsbösewichts bereits angebahnt, nicht nur, wie Brüggemann es sieht, zum Sturm und Drang hin, sondern auch in umgekehrter Richtung, zurück zu den Quellen. So geht Brawe mit Henley zweifellos in doppeltem Sinn über die Lastervorstellungen der Gellertzeit hinweg.
Freigeisterei wird hier nur noch als Maske und als Mittel verwandt, denn Henley fällt, wenngleich er auch die Sprache des Freigeistes redet, es doch schwer, so zu denken (I,3). Die Freigeisterei schrumpft in den Händen Henleys zu einem Spielzeug zusammen, sie ist eine Form des Bösen, die er spielerisch handhabt. Er lehrt sie vortrefflich, ist also im Sinne Gellerts ein »Lehrer der Freygeisterei«, aber er gleicht einem Lehrer, der in Anfangsgründen unterrichtet. Während so seine Arbeitsmethode der unmittelbaren Zeit angehört und er insofern ein Zeitbösewicht ist, so ist sein Wesen selbst zeitlos böse. Er ist das immer wiederkehrende Symbol des Bösen, das hier nun auf einer hohen intellektuellen und sogar mythologischen Stufe (soweit Teufelsvorstellungen darin lebendig sind) im Kampfe mit dem Guten selbst und darüber hinaus mit Gott steht.
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1)
Als Quelle wurde der Abdruck des Dramas in DLA 8 benutzt. S. 272 ff
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2)
A. Sauer, s. a.a.O. S. 29 f
3)
F. Brüggemann DLA 8, S. 17
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2)
s.S. 28 ff dieser Arbeit
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1)
1) A. Sauer s. a.a.O. S. 38
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