Wilhelm Dilthey: Literarhistorische Monographien [Rezensionen, u. a. zu August Sauers Brawe-Monografie]. In: Westermann's illustrirte deutsche Monats-Hefte. Band 47 (October 1879 bis März 1880). Braunschweig: Westermann 1880. S. 642-644, hier S. 642.
|
<Seite 642:>
Literarische Mittheilungen.
Literarhistorische Monographien.
Die Detailuntersuchung über die Schriftsteller, welche im Beginn unserer classischen Dichtungsepoche lebten, geht emsig weiter, und so werden die Grundlagen für ein wissenschaftliches, d. h. die Entstehung wirklich allseitig erklärendes Verständniß gelegt. Die literarhistorische Monographie steht auf diesem Gebiet in Blüthe, und das darf besonders Wilhelm Scherer als Verdienst zugesprochen werden.
In den von ihm im Verein mit Straßburger Collegen gegründeten Quellen und Forschungen empfangen wir eine Monographie über Brawe, den Schüler Lessing's: Joachim Wilhelm v. Brawe, der Schüler Lessing's. Von Adolf [sic!] Sauer. (Straßburg, Trübner.) Natürlich lenken auch hier vor Allem die Beziehungen zu Lessing den Blick auf sich. Im October 1755 war Lessing wieder nach Leipzig, der Stätte seiner Universitätsstudien und ersten dramatischen Erfolge, zurückgekehrt und blieb daselbst bis 1758. Dort bildete sich um ihn der Freundeskreis, in dessen regsamem, genial bewegtem Verkehr Brawe schon in so früher Jugend zum Manne geworden ist; vergönnte ihm doch das Schicksal nur ein kurzes Leben. Christian Weiße, Ewald v. Kleist bildeten mit Lessing den Stamm; von Halberstadt kam Gleim herüber, von Dresden Johann Joachim Ewald. Weiße in seiner Selbstbiographie bewahrt uns ein Beispiel der Gespräche, die da geführt wurden, auf. Der mystische Leipziger Philosoph Chrusius, der die Freiheit tiefsinnig zu rechtfertigen sich bemühte, hatte Brawe unter seinen Schülern, und dieser vertheidigte den Lehrer in der Gesellschaft, wo dann Lessing, der Determinist, gern neckend Brawe in Discussionen verwickelte, aus denen die unphilosophischen Genossen Kleist und Weiße durch manchen Scherz die Kämpfenden zurückzurufen bemüht waren. – Die Untersuchung ist durchaus auf solide Detailkenntniß des literarhistorischen Materials gebaut und liest sich angenehm.
[Es folgen vier weitere Kurzrezensionen anderer Werke.]
|