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Johann Christian Brandes: Meine Lebensgeschichte. 2. Band. Berlin: Maurer 1800. 3. Kapitel. S. 16-20.

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Drittes Kapitel.

Freimaurerei. Autorschaft. Censurangelegenheit. Breslau.

Schon seit einiger Zeit hatten sich hier ein Paar Freimaurerlogen etablirt. Gelegentlich wurde ich mit einigen Mitgliedern derselben bekannt; ich fand ihren Umgang angenehm und lehrreich, und ihr Betragen untadelhaft: dies reizte mich an, sie zu bitten, mich in einer ihrer Logen zur Aufnahme zu empfehlen. Da man gegen meinen moralischen Wandel nichts einzuwenden hatte, so wurde ich sehr bald meines Wunsches gewährt, und, nach vorhergegangener maurerischen Prüfung, ohne Schwierigkeit in den ersten Grad des Ordens aufgenommen.

Zu meinem nicht geringen Erstaunen erschien den Tag nach meiner Aufnahme ein Herold, der auf allen öffentlichen Plätzen und an den Ecken der Hauptstraßen, im Namen der Obrigkeit, ein strenges Verbot, ohngefähr folgendes Inhalts, ankündigte: "Daß sich hier eine Rotte von Menschen, unter dem Namen: Freimaurer, befände, deren geheime Zusammenkünfte höchst verdächtig wären; weil nun diese der guten Ordnung und dem allgemeinen Wohl sehr leicht zum größten <Seite 17:> Nachtheil gereichen könnten, so würden hiermit alle dergleichen geheime Versammlungen von einer hochweisen Obrigkeit, bei nachdrücklicher Strafe, gänzlich und auf immer untersagt." [1]

Ganz unbegreiflich war mir dieser Vorgang; und ich würde, hierdurch verleitet, ohne allen Zweifel manches Gefährliche in den Grundsätzen meiner neuen Mitbrüder vorausgesetzt, und die Verbindung mit ihnen sogleich wieder aufgehoben haben, wenn man mir, bei meiner Aufnahme in dem Orden, unter andern Maurerpflichten, nicht auch Religion, genaue Befolgung der Gesetze, Ehrfurcht gegen die Obrigkeit, Rechtschaffenheit, Menschenliebe und Wohlthun, als Haupttugenden der Glieder dieses Ordens, zur pünktlichen Beobachtung vorzüglich empfohlen hätte. Auf mein Befragen berichteten mir einige Vorgesetzte der Loge, daß sich vor einiger Zeit verschiedene Rathsglieder <Seite 18:> und auch Geistliche in den Orden hätten aufnehmen lassen; dadurch wären sogleich Mißgunst und Aberglaube rege geworden, welche nun ihre ganze Kraft aufgebothen hätten, diese Stiftung durch Auswirkung eines Rathsschlusses zu zerstören; auch wären einige Neulinge in dem Orden zu vorlaut gewesen, hätten im Publikum unbesonnenerweise mit gewissen Vorzügen geprahlt, und sich dadurch nicht allein lächerlich, sondern auch zum Theil verhaßt gemacht. Dies mogten wahrscheinlich wohl die Hauptursachen des Verbots eines Instituts seyn, von dessen innerm Werth die Obrigkeit keine genaue Kenntniß haben konnte.

Noch während unserer Anwesenheit hieselbst erfolgte die Wahl Stanislai Augusti zum Könige von Pohlen. Zur Feier derselben wurde ein von mir verfertigtes Vorspiel: das verwaiste Danzig, und zur Feier der Krönung ein zweites Vorspiel: der Parnaß, oder die frohlockenden Musen, aufgeführt. Beide Stücke hatten wenig innern Werth, bewirkten aber doch wegen des Gegenstandes viel Sensation beim Publikum, und der Druck derselben brachte mir ansehnlichen Vortheil.

Hin und wieder bemerkte ich hier, bei allem Streben mancher guten Köpfe zur Aufklärung, <Seite 19:> doch auch noch viel Dunkelheit, Vorurtheil und Aberglauben. Besonders schien mir die Kritik, im Fache der schönen Künste und Wissenschaften, noch sehr begränzt zu seyn; wenigstens war dies Letztre der Fall bei dem Manne, welcher die Censur über das Theater zu besorgen hatte. Z.B. Das Trauerspiel, der Freigeist, von Brawe, sollte gegeben werden; ich überbrachte es also dem Censor zur Beurtheilung. Dieser fand besonders die Hauptrolle darin äußerst anstößig, strich Alles, was den Freigeist eigentlich charakterisirt, als vermeintliche Gotteslästerungen aus, und schickte mir sodann das so jämmerlich verstümmelte Stück wieder zurück, mit der Erlaubniß, es, so wie es jetzt da wäre, vorstellen zu können. Ich, äußerst erstaunt über dies sonderbare Verfahren eines Mannes, dem ich weit mehr Einsicht zugetrauet hatte, ging nun damit zum Präsidenten Gralath, der, wie ich wußte, viel litterarische Kenntnisse und einen gebildeten Geschmack besaß. Dieser kannte das Stück, schüttelte den Kopf, und gab es mir mit der Erklärung zurück, daß sich der Censor, wahrscheinlich wegen überhäufter Geschäfte, in der Beurtheilung dieses Trauerspiels übereilt hätte, und daß wir es, auf seine Verantwortung, ohne alle Aenderung, aufführen könnten.

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Nach einem beinahe viermonatlichen Aufenthalte wurde endlich die Gesellschaft ungern vom Publikum entlassen. Da diesmal in Königsberg, wegen des erst vor kurzem erlittenen großen Brandschadens, auf keine beträchtliche Einnahme Rechnung gemacht werden konnte, so nahm Schuch seinen Weg durch Pohlen nach Breslau, wo wir den übrigen Theil des Winters hindurch spielten, die Theaterkasse beträchtlich bereicherten, und dann unsre gewöhnliche große Zirkelreise nach Berlin fortsetzten.

Während unsrer Anwesenheit in Breslau hatte Schuch den nützlichen Gebrauch von seinem Gelde gemacht, in Berlin ein eignes Haus zu kaufen, und hinter demselben ein ziemlich geräumiges Schauspielhaus erbauen zu lassen, welches wir, bei unsrer Ankunft, schon vollendet vorfanden.


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[1] Erst vor kurzem fiel mir dies merkwürdige Verbot durch meinen Freund, den Buchhändler und Antiquar Vieweg, nach einem Zeitraume von fünf und dreißig Jahren, von neuem wieder in die Hände. Gern würde ich es, der Sonderbarkeit wegen, dem Texte in einer Note beigefügt haben, wenn ich nicht befürchtet hätte, manchen meiner Leser durch den weitläuftigen Inhalt desselben zu ermüden.


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