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[Ramler, Karl Wilhelm]: Vorbericht. In: Trauerspiele des Herrn Joachim Wilhelm von Brawe. [Hg. von K. G. Lessing und Karl Wilhelm Ramler.] Berlin: Winter 1768. (Ohne Paginierung.)

Vorbericht.

Der Verfasser dieser beiden Trauerspiele, Joachim Wilhelm von Brawe, ward den vierten Februar 1738 zu Weissenfels geboren. Sein Vater war geheimer Kammerrath, und seine Mutter eine geborne Fräulein von Heßberg. Auf der Sächsischen Fürstenschule Pforte fieng er seine Studien an, setzte sie auf der hohen Schule zu Leipzig fort, <Seitenumbruch:> und starb den 7 April 1758 in seiner Vaterstadt, in den Armen seiner Eltern.

In seinem achtzehnten Jahre schrieb er den Freygeist, ein bürgerliches Trauerspiel in Prose, und kurz darauf den Brutus, ein heroisches Trauerspiel in Versen, welches nach seinem Tode jetzt zum erstenmal im Druck erscheint.

Der Freygeist machte kein geringes Aufsehen unter den wenigen guten Stücken, die wir damals auf der deutschen Bühne zählten. Die entfernte Aehnlichkeit, die dieses Trauerspiel mit Youngs Rache hatte, schadete der Ehre seines <Seitenumbruch:> Verfassers nicht; doch fand man, daß es sich, seines mehr als ernsthaften Inhalts wegen, noch besser im Kabinette lesen, als von unsern Komödianten vorstellen ließe.

Das zweyte Trauerspiel Brutus, welches die Probe der Vorstellung noch nicht ausgehalten hat, ist aus der höhern Sphäre der Tragödie, aus der Welt der Helden und der Patrioten genommen: es ist voll interessanten Situationen, voll gewaltsamen Leidenschaften, voll Heroismus und Stoicismus, und vom Anfange bis zum Ende voll ungewöhnlich starker Poesie. Und damit es auch denjenigen Schau- <Seitenumbruch:> spielern gefalle, die nach jedem Abgange ein Händeklatschen erwarten und deswegen Geberde und Deklamation weit über die Absicht des Poeten verstärken: so wollen wir noch hinzusetzen, daß ihnen der Dichter in diesem Stücke zu sehr schönen Abgängen Gelegenheit gegeben hat.

Aus beiden Trauerspielen sieht ein jeder Leser, daß der Verfasser mehr geliefert hat, als man von dem fähigsten Kopfe vor seinem zwanzigsten Jahre erwarten durfte. Was hätte ein so feuriger und fleißiger Dichter der Bühne nicht für Ehre machen können, wenn er länger gelebt <Seitenumbruch:> hätte! wenn er, bey seinem längern Leben, nicht etwann, wie viele andere, mitten in seinem Wachsthume stehen geblieben wäre! und wenn er endlich die Liebe zum deutschen Theater nicht vielleicht gar verloren hätte, zu einem Theater, dem es zum Theil noch an Personen fehlt, die ihre natürlichen Gaben durch Studiren der Bücher und der feinern Welt erhöht, und sich tüchtig gemacht haben, dem Dichter in allen seinen Empfindungen zu folgen und zu Hülfe zu kommen! Doch, so lange man in Deutschland nur dem Maler, dem Tonkünstler, dem Baumeister erlaubt, seiner <Seitenumbruch:> einzigen Kunst getreu zu bleiben, dem Dichter aber, der die schwerste und weitläuftigste unter allen schönen Künsten treibt, noch andre Geschäfte aufladet, die ihn ernähren sollen, und ihm nur erlaubt, wann er bereits ermüdet ist, sich noch einmal durch Verfertigung poetischer Meisterstücke zu ermüden: was kann man da anders erwarten, als daß er seine Kunst zuletzt vernachläßiget oder in seinen besten Jahren stirbt?

Berlin, den 28ten April 1768.


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