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Schmiedecke, Adolf: Ein altes Weißenfelser Haus. In: Weißenfelser Heimatbote. 3. Jahrgang. Heft 7/1957. Weißenfels 1957. S. 148-150.

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Foto: S. Thielitz

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Ein altes Weißenfelser Haus

Weißt du auch, liebe Leserin und lieber Leser, wo das nebenstehend abgebildete Haus steht? Wer schon einmal an einer Stadtführung teilgenommen hat, wird es wissen; denn vor diesem Hause wird jedesmal Halt gemacht und ein wenig verweilt, um es zu betrachten, zum anderen, um etwas aus seiner Vergangenheit zu erfahren.

Es ist eins der zahlreichen Barockhäuser, die Weißenfels noch besitzt, die in der sogenannten Herzogszeit erbaut sind, also zwischen 1660, dem Jahr der Grundsteinlegung unseres Schlosses, und 1746, dem Jahr, in dem die Weißenfelser Herzogslinie ausstarb. Das Baujahr dieses Hauses – es steht in der Nikolaistraße und führt die Hausnummer 39 – ist uns genau bekannt, ist doch sogar die Bauabrechnung noch erhalten, leider nicht in unserem Stadtarchiv, sondern im Landeshauptarchiv Magdeburg, wo sich Tausende von Akten über Weißenfels und seine nähere Umgebung befinden. Die erwähnte Baurechnung stammt aus dem Jahre 1709. Damals war das Haus fertig, und der Bauherr »Seine Excellenz, Herr Hans Moritz von Brühl, Hochfürstlich Sächsischer Hochbestallter Hofmarschall allhier«, suchte bei seinem fürstlichen Herrn auf Neu Augustusburg um die »Begnadigung wegen seines in der Niclas Gaßen neu erbauten Haußes« nach.

Sein Sohn, der später berühmt, mehr aber noch berüchtigt gewordene Ministerpräsident Graf Heinrich von Brühl, war neun Jahre alt, als dieses stattliche Haus fertig war. Es ist also auch eins der Weißenfelser Kavalierhäuser, neben denen gegenüber der Marienkirche und denen in der Leipziger Straße, deren eines, Nummer 9, Graf Brühl auch eine Zeitlang besaß.

Als das Haus Nikolaistraße Nr. 39 erbaut worden war, sah es in seinem unteren Stockwerk freilich anders aus als heute; denn der Herr Hofmarschall ließ keine Schaufenster einbauen; die stammen aus späterer Zeit und sind keine Zierde des Hauses. Auch die beiden Fahnenhalter sind bestimmt später angebracht. Hier hat man sich aber bemüht, sie barockartig zu gestalten, wenn sie auch zu der verhältnismäßig schlichten Bauart des Hauses nicht recht passen. Beides muß man sich also wegdenken – Schaufenster und Fahnenhalter nebst -stangen –, wenn man sich ein Bild vom ursprünglichen Aussehen dieses Hauses machen will. Damals traten die beiden Scheinsäulen (kunstgeschichtlich gebildete Leute nennen sie Pilaster), welche die Stockwerke miteinander zu verbinden scheinen, weit stärker hervor. Das stattliche Portal mit der darüber angebrachten steinernen Urne fiel auch noch mehr in die Augen als heute. Das Haus wirkte damals als rechter Barockbau, und der Eigentümer war gewiß stolz auf sein gut aussehendes Anwesen.

Die Erben des Hofmarschalls von Brühl, darunter auch der spätere Ministerpräsident, verkauften dieses Haus im Jahre 1738 an den Geheimen Assistenzrat von Brawe, der auch ein adliger Beamter des Weißenfelser Herzogs war. Diesem Herrn von Brawe war – wohl kurz vor dem Erwerb dieses Hauses – ein Sohn geboren worden, der sich einen Namen gemacht hat. Nur zwanzig Jahre wurde Joachim Wilhelm Brawe alt, und doch finden wir seinen Namen in größeren deutschen Literaturgeschichten noch heute, und es steht über ihn darin zu lesen, daß er als einer der ersten deutschen Dichter den fünffüßigen Jambus in einem seiner Dra- <Seite 150:> men verwendet hat, die Versform, deren sich dann unsere großen Dichter des Klassizismus bedienten (Beispiel »Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt« und »Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an!«). Zwei Dramen hinterließ der so früh dahingeschiedene Dichter Joachim Wilhelm von Brawe, »Der Freigeist« und »Brutus« betitelt. Beide wurden von keinem Geringeren als Lessing herausgegeben. Was hätte dieser begabte Dichter wohl noch leisten können! Im Hause Nikolaistraße Nr. 39 verlebte er seine Jugendzeit. Man sollte hier eine Gedenktafel anbringen, um ihn zu ehren. Er ist einer der zahlreichen berühmten Weißenfelser.

Da hätten wir nun schon einiges aus der Geschichte dieses Hauses berichtet.

Erwähnt soll noch werden, daß es im Siebenjährigen Kriege eine Zeitlang als Lazarett diente und daß im vergangenen Jahrhundert einmal die Druckerei des Weißenfelser Kreisblatts darin untergebracht war.

Nun noch etwas aus der Bauabrechnung vom Jahre 1709; denn ich denke, daß auch dieses manchen interessieren wird.

Zum Vorderhause wurden 40000 Mauerziegel gebraucht, das Tausend zu 7 Taler ... 280 Tl.
Der Fuhrlohn für das Tausend betrug 1 Taler 16 Groschen ... 66 Tl. 16 Gr.
4200 Heimbzen Kalk zu 12 Groschen ... 2100 Tl.
Maurerlohn ... 550 Tl.
Handlangerlohn, einschließlich des Lohns für das Ausheben des Baugrundes ... 350 Tl.
Fuhrlohn für den Kalk, den Heimbzen zu 2 Groschen ... 150 Tl.
10000 Dachziegel, das Tausend zu 7 Taler ... 70 Tl.
Das Tausend zu decken 1 Tl. ... 10 Tl.

So kostete also das Vorderhaus 3496 Taler 16 Groschen. Nun gehörten aber noch Hinter- und Seitengebäude dazu, darunter ein Stall für zwölf Pferde, so daß der ganze Bau laut Bauabrechnung auf 7704 Taler 1 Groschen zu stehen kam. Das war für die damalige Zeit keine geringe Summe; aber der Herr Hofmarschall und Rittergutsbesitzer von Brühl hatte wohl das Einkommen, sie zu bezahlen. Er war der höchstbezahlte Beamte am herzoglichen Hofe.

Wer Näheres über die Einkünfte der Hofbeamten zu erfahren wünscht, der sehe sich in unserem Städtischen Museum die in Pyramidenform gestaltete Uebersicht davon an.

Dr. A. Schmiedecke


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