Schmiedecke, Adolf: Joachim Wilhelm von Brawe zum 200. Todestag. In: Weißenfelser Heimatbote. 4. Jahrgang. Heft 4/1958. Weißenfels 1958. S. 92-93.
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Joachim Wilhelm von Brawe
zum 200. Todestag
Von Dr. A. Schmiedecke
Es hieße Schuhe nach Weißenfels tragen, wollte man viel Worte darüber verlieren, daß unsere Stadt sich durch zahlreiche Beziehungen zu bedeutenden Menschen vor vielen anderen Städten auszeichnet. Ueber die Persönlichkeit, von der hier berichtet werden soll, Joachim Wilhelm von Brawe nämlich, kann nur wenig vermeldet werden, und zwar deshalb nur wenig, weil Brawe nur zwanzig Jahre alt geworden ist. Und was ist es, was von diesem so jung Verstorbenen zu vermelden ist? Nun, der Zwanzigjährige hinterließ zwei von ihm verfaßte Theaterstücke. Man darf wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß er bei Erreichung eines höheren Alters die
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deutsche Literatur stark bereichert hätte. Es hat nicht sein können; der Hochbegabte mußte früh ins Grab.
Joachim Wilhelm von Brawe wurde am 4. Februar 1738 als Sohn des Geheimen Assistenzrats von Brawe in Weißenfels geboren. Im selben Jahre kaufte dieser hohe herzogliche Beamte ein Haus in der Nikolaistraße, jetzt Nr. 39. Hier verlebte Joachim Wilhelm seine Kindheit, bis er im Jahre 1750 zu seiner weiteren Ausbildung nach Schulpforte geschickt wurde. 1755 bezog er die Universität Leipzig, um Rechtswissenschaft zu studieren. In Leipzig herrschte damals ein sehr reges geistiges Leben. Dort wirkte der vielverehrte Gellert, und dort war damals Lessing Mittelpunkt eines Kreises junger Dichter. Ihm schloß sich Joachim Wilhelm von Brawe an und empfing wohl vor allem hier die Anregungen für sein eigenes dichterisches Schaffen.
Für die damalige Zeit ist es bezeichnend, daß er sein erstes literarisches Werk einem Thema widmete, das zu jener Zeit viel erörtert wurde, nämlich dem des Freigeistes. Der junge Lessing hatte ein fünfaktiges Lustspiel »Der Freigeist« geschrieben, Brawe gestaltete aus diesem Stoff ein bürgerliches Trauerspiel. Lessing schickte dieses Stück seines Freundes und Schülers an den Schriftsteller Nicolai in Berlin, der einen Preis von 50 Talern für das beste deutsche Trauerspiel ausgesetzt hatte. Zwar erhielt Brawe den Preis für seinen »Freigeist« nicht zugesprochen, sondern sein Freund Johann Friedrich von Cronegk für sein Drama »Codrus«, aber der »Freigeist« erfreute sich eine Zeitlang großer Beliebtheit auf deutschen Bühnen. Doch diesen Erfolg erlebte der Dichter nicht mehr, erst recht nicht die Uraufführung seines zweiten Trauerspiels, das den Titel »Brutus« trägt. Es ist eins der ersten deutschen Bühnenwerke, das in fünffüßigen Jamben geschrieben wurde, in dem Versmaß also, das durch Lessing und Goethe und erst recht durch Schiller zum klassischen deutschen Dramenvers wurde. Zu Brawes Zeit war diese Versform im Drama neu und ungewohnt, und dieser Umstand verschuldete den Mißerfolg des »Brutus« bei seiner Aufführung auf einer Wiener Bühne am 20. August 1770.
Beide Trauerspiele Brawes wurden 1767 in Nicolais »Bibliothek der Wissenschaft« veröffentlicht, neun Jahre nach dem Tode des Dichters.
Dieser war Ende März 1758 nach Dresden gereist und starb dort am 7. April. 200 Jahre sind seitdem vergangen. Die 200. Wiederkehr seines Todestages wurde uns Anlaß, den frühverstorbenen, hochbegabten Dichter durch eine Gedenktafel zu ehren, die an dem Hause angebracht wird, in dem er aufgewachsen ist. Herr Steinmetzmeister und Bildhauer Kurt Schulze stiftete diese Tafel – nun schon die dritte innerhalb eines halben Jahres. Ihm sei auch an dieser Stelle bestens gedankt.
Es wäre zu begrüßen, wenn andere Weißenfelser Bürger diesem Beispiel folgten und auf diese oder ähnliche Weise zur Verschönerung unserer Stadt beitrügen.
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