<Seite 86:>

Zweyter Auftritt.

Marcius. Servilius.

Servilius.
Wen seh ich? –

Marcius.
Der Natur
Entsetzen, Roms und Brutus Untergang,
<Seite 87:>
Den niedrigsten Verräther, Marcius. –
Ein Grauen fällt auf dich, ehrwürdger Greis,
Da du mich hörst? – Noch kennst du mich nicht ganz,
Kennst nicht die That, nicht meiner Raserey
Vollendung, kennst des Brutus Mörder nicht.

Servilius.
Du, Wütender, sein Mörder? du?

Marcius.
Ich bins.
Ja, fluche mir! ich bins! Ich zwang den Sieg,
Unwillig Brutus Heer im ersten Kampf
Zu fliehn, und jetzt, da ihres Lagers Schutz
Die Flüchtigen noch einmal streiten hieß,
Stürzt' ich zuerst, nach mir des ganzen Kriegs
Erzürnte Wogen, auf sie ein. Es gab
Zu meinem Fall die Hölle meinem Arm
Gewalt; Ihr Schrecken flammt' auf meinen Helm.
Wir siegten. Brutus nur stand furchtbar, gleich
Der Meere Gott im Sturm. Ich mordete
<Seite 88:>
Mir einen Weg zu ihm. Weit um ihn her
Lag aufgehäufter Tod. – Verlassen, schon
Kämpft' er allein. Er sah mich, und es sank
Vor mir sein Schwerdt. – Wehmüthger Schmerz vertrieb
Von seiner Stirn die Furchtbarkeit. Er sah
Mit thränenvollem Aug' auf mich. – nur ich
Blieb Unmensch. – Wie mirs schien, ermahnte mich
Der Ruf der Furien. – Ich hob bereits
Den strafbarn Arm empor. – Elender! rief
Hier Brutus, Einen Frevel will ich dir
Ersparen. Rom sey nun versöhnt, daß ich
Je Vater ward. Er sprichts, und stürzt sein Schwerdt
In diesem Augenblick in seine Brust. –
Verzweiflung ward die Furcht der Flüchtigen.
Ihr sterbend Haupt zu schützen, kehrten sie
Zum drittenmal zurück; und ich, erwacht
Von meiner Trunkenheit, floh aus dem Kampf.
Durch Blut, Gefahren, Tod, bin ich hieher
Geirrt.

<Seite 89:>

Servilius.
Unseliger! was suchst du hier?
Entflieh! was will dein Wüten hier?

Marcius.
Ich will
Den Brutus sehn und sterben. Triegt mich nicht
Ein ferngehört Geschrey; so tragen ihn
Die Seinigen noch lebend her.

Servilius.
Ihn sehn?
Macht dein Verbrechen dich so kühn? Willst du
Den Held in seinem Blut noch höhnen?

Marcius.
Nein!
Vor seinen Augen soll er sich an mir
Gerächt sehn. Dieß gebiert den kühnen Wunsch.
Zwar wird sein Blick mich niederschrecken; doch
Ich will ihn sehn. – Ich bin der Frevler nicht
Allein, der seinen Tod verbittert; ihn
Beleidigte sein Sohn. – »Rom sey versöhnt,
<Seite 90:>
Daß ich je Vater ward:« Namlose Qual
Verrieth der bange Ton, als er dieß sprach.
Ach! dieser blutge Tag ist fruchtbar an
Verbrechern.

Servilius.
Dieß Geräusch verkündigt ihn,
Ja, Brutus ists. – Entflieh zum mindesten
Dem ersten Ungestüm.

(Marcius geht ab)