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Letzter Auftritt.

Die Vorigen. Anton mit seinem Gefolge.

Anton.
Wo ist
Der Feldherr? Wo ist Brutus?

Brutus.
Sieh ihn hier.
Er ist in Sicherheit, Anton. (indem er auf seine Wunde zeigt)

Anton.
Dieß ist
Von deinem Widerstand die nichtge Frucht.
Verirrte Stoicker, wahnsinnig stolz
Erwählt ihr stets ein schimmernd Unglück mehr,
Als ein bescheidner Glück.

Brutus.
Strafbares Glück
Ist der Antone Wahl, des Weisen Haß.
Mein Unglück ist mir theurer, als der Glanz,
Der deinen trunknen Stolz, gleich als zum Gott,
Beseliget. – O du der Götter Gott!
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Erstaunlich Wesen! – noch vor meinem Blick
In majestätscher Nacht verhüllt, der du
Die Sonnen und den Tugendhaften schufst,
Und ihn noch da belohnst, wenn Sonnen schon
Verloschen sind: Den stolzen Flug schwing' ich
Zu dir empor; vergieb die rasche That,
Die nicht ich selbst, die der Verzweiflung Macht
Und Raserey in mir gethan. Vergieb,
Daß ich den Tod beschleuniget, den ich
Von dir erwarten sollte. – Staub bin ich
Und Unvollkommenheit, und du – bist Gott.
Ein unaussprechliches Gefühl sagt mir,
Daß du der Gütigste, zum Segnen Gott
Und nur für Frevler ein Verderber bist.
Nimm Brutus auf. Dich anzubeten, dich
Zu denken, dieß sey seiner Ewigkeit
Geschäft. – Sey du Roms Schutz! Gebeut dem Sturm,
Der über seinem Haupt entrüstet hängt!
Vor deinem schwächsten Hauch sinkt ein Tyrann,
Von einer Welt in Waffen stolz umringt,
So schnell, wie Hügel Staubs, dahin. Und ist
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Die Tyranney der Laster Rächerinn,
Ist Rom der ernsten Züchtigung geweiht:
So zähme mittleidsvoll durch Menschlichkeit
Der strengen Sieger Herz. – Unglücklicher!
Mein Sohn! – dein Vater stirbt versöhnt. – Die Angst,
Die flammende Verzweiflung, die auf dir
Gleich niederschmetternden Gebirgen ruhn,
Sie lehren mich, wie sehr dein edles Herz
Den Frevel haßt, zu dem ein Wütender
Tyrannisch deinen Arm verdammet hat. –
Umarme mich. Mein Elend, meinen Tod
Verzeih' ich dir. Ich fühle sie nicht mehr.
Nur Zärtlichkeit, den Vater fühl' ich nur.
O möchtest du durch dichtgedrängte Reihn
Ganz voller [Druckfehler] Thaten ihn, den tödtenden
Den heutgen Tag verhüllen. – Dir, Anton,
Auch dir, Tyrann, flucht nicht mein starrer Mund.
Mein Geist, der das Unsterbliche schon fühlt,
Erniedrigt sich nicht mehr zum Haß herab.
Mißbrauche deines Siegs nicht als Tyrann. –
Anton! ehrwürdig sey des Sterbenden
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Ermahnung dir. Vor dieß allmächtige
Gericht, das mich erwartet, ruft auch dich
Der rächerische Tod. Dann schreckt kein Heer
Um dich herum. Es füllt der Richter, du,
Und das gerüstete Verderben, ihr
Allein erfüllt den furchtbarn Schauplatz. – Dieß
Sey dein Gedank – wenn dich der schwindelnde
Triumph vergöttert. – Nein! geliebtester
Messala! und auch du, großmüthiger
Und weiser Greiß! entstellet meinen Tod
Durch Thränen nicht! – Beneidet mich. – Ist das
So graunvoll, einer Welt der Sklaverey
Entrückt zu werden? – über Erd, und Tod –
Und niedrige Veränderung gesetzt, –
Der Freud und Tugend Eigenthum zu seyn? –
Er kömmt, der selige – der Augenblick. –
Unendlicher, – sey meiner Freunde – Schutz –
Und Roms – (er stirbt)

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Anton.
(zu seinem Gefolge)
Er war mein Feind, und dennoch muß
Ich ihn bewundern. Ach! auf wessen Fall
Ist meine Größ' erbaut? Sie muß der Haß
Der Götter seyn: Denn Brutus Blut floß ihr
Zum Opfer.

Marcius.
Niedriger! entheilge nicht
Durch dieses Mitleid mehr den Held. – Von uns,
Von uns Verbrechern ist es Schmach für ihn. –
Du, Fluch der Erde, du, mein Fluch, sieh hier
Die That, die ich vollführt, und die du schufst.
Ihr, denen Rach und Tod gehorsam sind,
Hört mich, furchtbare Mächte! laßt Anton –
(Den ganzen Haß erschöpft der zornge Wunsch –)
Laßt den Tyrannen fühlen einst, was ich
Empfinde. Sein Gericht sey meinem gleich. –
Was stürmt in mir empor? – Welch fremd Gefühl? –
Ergreift mich schon die Hölle? – Donnern schon
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Des Todes Ström' um mich herum? – Ihr seyds!
Begeisternd stürzt ihr euch, ihr Furien,
In mich! – Ihr gießt in den erstaunten Geist
Prophetschen Tag. – Ich hör euch, redet! – Schon
Entwölkt sie sich, die ganze Zukunft steht
Vor mir. – Erzittr' Anton! – Er kömmt.
Vom Occident wälzt erderschütternd sich
Dein Untergang daher. – Ohnmächtiger!
Bewaffne deine Welt, verbirg das Meer
Durch deine Segel! – Keinen Widerstand,
Zahlreiche Flucht bereitest du – denn sie
Sind wider dich, die Götter. – Bleiche Furcht
Ergreif sein Heer! Entsetzen, feßle du
Der Helden Muth! Verderben, wüte nun!
Sey ohn Erbarmen, Schwerdt! Welch Schauspiel, Rom!
Gerächtes Rom, für dich! Bestürzt erblickt
Der Ocean den mächtgen Schiffbruch. Gleich
Als ein Gewand deckt die Verheerung ihn.
Du fliehst, Tyrann? – In Zorn gekleidet, eilt
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Der nichtgen Flucht die ernste Themis nach.
Geführt von ihr, straft dich dein eigner Arm. –
Ihr Geister! steigt empor! ihr, die sein Durst
Nach Tyranney und Blut erwürgt, steigt nun
Empor! umringt mit dräuendem Triumph
Den Sterbenden! Seht, wie gestürzter Stolz,
Verzweiflung, Scham, den starren Blick erfüllt!
Wie ihn die Angst des kommenden Gerichts
Durchstürmt! Wie ihn der blutgen Frevel Last,
Gleich Welten, niederdrückt! – So stirbst du einst,
Tyrann! – Du fühlst es: deine Wut bezähmt
Ein Gott; allmächtig zwingt er dich, von mir
Dein Urtheil ganz zu hören. – Hör es denn!
Die Schrecken deines Tods weißagen dir
Noch schwärzere, die wider dich im Reich
Der Nacht sich rüsten, sie, die jetzo mich
Erwarten, mich den einzgen Frevler, der
Dir gleich ist. – Erde, flieh! Des Todes Scen'
Und mein Gericht enthüllt sich. – Heil dir, Graun!
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Sitz der Verzweiflung, Heil! Qualvoll bist du
Mein würdger Aufenthalt. – Stärkt euren Zorn,
Ihr Flammen! und vernichtet mich! – Du denkst
Noch, Seele? dir, Gedank! Empfindung, dir
Fluch ich: vergeh! – Weg sträubend Leben! nimm
Mich, Abgrund! Erde! sey von mir befreyt!

(Er tödtet sich.)

Ende des Trauerspiels.


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