Erster Aufzug.
Erster Auftritt.
Henley und Widston.
Henley. Welch ein unvermuteter Zufall! – Was habe ich erblickt! –
Meine Anschläge – meine Rache – alles ist hin! ich
Unglückseliger! – (Indem er sich umsieht.) Du folgst mir?
Widston. Ja, mein Herr, Ihre heftige Bestürzung beunruhigt mich
zu sehr. Werden Sie mir vergeben, wenn ich nach der Ursache
dieser jählingen Veränderung mich erkundige?
Henley. Kanntest du den Fremden, der eben itzt so schnell bei
uns vorbeiging?
Widston. Eine dunkle Erinnerung, daß ich ihn irgendeinmal
gesehn –
Henley. Du betrogst dich nicht, es war Granville, mit dem ich in
London durch den Clerdon in eine kurze Bekanntschaft geriet.
Widston. Und seine Gegenwart kann in Ihnen so heftige Bewegungen
erregen?
Henley. Sie ist für mich der widrigste Zufall, mit dem ein
feindselig Geschick mich nur strafen konnte. Meine Rache, eine
Rache, nach der meine ganze Seele lechzet, steht in Gefahr,
hintergangen zu werden. Du kennst mich, Widston, du mußt also
die Qual kennen, die itzt mein Herz zerfoltert – Jedoch alle
meine Worte werden dir unauflösliche Rätsel scheinen; ich sehe
es, deine neubegierigen Augen fragen mich bereits um ein
Geheimnis, das du verdientest, eher erfahren zu haben.
Entschuldige mich. Du bist meines Vertrauens würdig. Die
letztere Probe, die du mir davon gegeben, redet zu stark für
dich. Ich gestehe es, vor dieser stand ich noch an, so sehr ich
dich auch geprüft hatte, dir dies Geheimnis anzuvertrauen. Itzt
soll sich dir mein ganzes Herz aufschließen. – Du kennst die
Verhältnisse, in denen ich mit dem Clerdon stehe. Unsre beiden
Häuser sind stets teils durch die Bande der Verwandtschaft,
teils durch die Nachbarschaft ihrer Güter und andre Umstände
verknüpft gewesen, und eben diese genauen Verbindungen haben
unaufhörlich eine geheime Eifersucht unter ihnen genähret. Ich
ward mit dem Clerdon bei meiner Rückkehr von Reisen, wie du
weißt, bekannt. Sein schimmernder Charakter zog jedermanns
Aufmerksamkeit auf sich. Der Christ, der rechtschaffne Mann, wie
alle von ihm rühmten – du wirst bald sehen, daß ich dies zur
Verherrlichung meines Triumphs wiederhole –, vereinigte sich in
ihm mit den vorzüglichsten Gaben des Geistes. Überall
verdunkelte er alle seine Freunde, man vergaß ihrer oder kannte
sie nur unter dem Charakter seiner Freunde. Meine Eifersucht
ward aufgebracht. Sie verdoppelte sich, da er bei verschiedenen
Gelegenheiten, als wir uns um einerlei Bedienungen bewarben,
Hoffnungen erhielt, die man mir versagte. Überall mußten wir
Nebenbuhler sein, und überall siegte er. Ich ward sein
unversöhnlichster Feind. Du weißt selbst, wie oft ich gegen dich
meinen Zorn und Verdruß über dies widrige Geschick aushauchte.
Endlich verwickelte uns ebendasselbe in einen Kampf, der den
Überwundnen ebenso schamrot machen als mit Wut entflammen
mußte. Wir strebten beide nach der Gunst der Schwester des
Granville, einer Schönheit, die damals aller Wünsche reizte. Sie
besitzt nicht gemeine Vorzüge – doch verabscheuet sei das Lob,
das ich ihr gebe, ihr, die ich itzt tödlich hasse! Ich will
mich nicht länger bei den Tagen meines Schimpfes verweilen. Sie
verwarf mich – das letztere Geschäfte, das dir mein ganzes
Vertrauen erworben, zwang dich damals, dich von mir zu
entfernen. – Sie zog mir den Clerdon vor und versprach ihm ihre
Hand.
Widston. Clerdon ist Ihr Nebenbuhler und, noch mehr, ein
begünstigter? und Clerdon lebt noch?
Henley. Du erstaunst? Kenne meinen ganzen Charakter. So eine
gemeine und geringe Rache als der Tod war meiner unwürdig. Ich
hätte den Clerdon durchbohrt, ein Augenblick wäre seine Strafe
gewesen. Nein, eine empfindlichere, eine langwierigere Strafe,
eine Strafe, die mir selbst, da ich sie ausdachte, einen Schauer
einjagte, soll meine Schmach ahnden. Ebendiese glänzenden
Vorzüge, diese so gerühmten Tugenden, durch die er mir überlegen
ward, beschloß ich, ihm zu rauben; aus dieser erhabenen Sphäre
ihn herabzustoßen, ihn zum Lasterhaften, zum Frevler, ja
womöglich zum Ungeheuer zu erniedrigen, ihn mit ebensoviel
Schande zu überhäufen, als ihn zuvor Ehre krönte, und endlich,
wenn ich ihn zu den schwärzesten Verbrechen hingerissen, ihn
noch vielleicht jenseits des Grabes – o wie schwellt mein Herz
der stolze Gedank' auf – beseufzen zu lassen, daß er mich jemals
beleidigte; dies war mein großer Entwurf.
Widston. Und Sie konnten hoffen –
Henley. Ich rief die Verstellung zu Hülfe; ich überkleidete den
Todfeind mit dem einnehmenden Schein eines Bewunderers und
Freundes. Ich stellte mich, als hätte ich die vorige
Leidenschaft der Freundschaft aufgeopfert, und es gelang mir.
Mein erster Versuch war, seine Liebe zur Religion zu bekämpfen,
eher durfte ich's nicht wagen, ihn mit dem Laster bekannt zu machen.
Ich verstrickte ihn in unendliche Zerstreuungen. Ich
verführete ihn zu kleinen Vergehungen, die ihn beunruhigten und
bald in ihm einen heimlichen Widerwillen gegen die Religion, die
ihn deswegen bestrafte, pflanzten. Ich hatte gewonnen, ich
bestritt ihn mit einem Heere von Zweifeln. Ich empörte seinen
Ehrgeiz. Mit dem Pöbel einerlei zu denken, stellte ich ihm als
schimpflich vor. Er ward ein Freigeist. In diesem Augenblicke
war meine Rache gesichert. Umsonst führte er in seinen Gedanken
das hinfällige Gebäude der Religion eines rechtschaffenen Mannes
auf. Ich lobte diesen Vorsatz. Doch bald riß ich ihn von
Verbrechen zu Verbrechen hin. Seine stärkste Rüstung schützte
ihn nicht mehr. Er ergab sich den zügellosesten Verschwendungen.
Stürzten ihn seine Laster in den Abgrund eines fürchterlichen
Mangels, so bewog ich ihn, sich durch neue daraus zu retten. Er
erpreßte auf die grausamste Weise von seinem Vater die
ansehnlichsten Summen; dieser opferte alles für einen Sohn auf,
der bisher seine ganze Freude gewesen war. Dieser gutwillige
Greis litt bald die Strafe, die Clerdons Ausschweifungen
verdienten; er versank in die schmählichste Dürftigkeit. Ich
wußte ihn mit seinem besten Freunde, dem Granville, und – dies war
mein vorzüglichster Triumph – mit seiner Geliebten zu entzweien.
Itzt entwich die Scham, die ihn noch bisher zurückgehalten
hatte; itzt fing er an, sich öffentlich wider die Religion
aufzulehnen, die er schon lange heimlich gehaßt hatte. Seine
Schulden nötigten ihn endlich, London zu verlassen, mit dem
letzten Raube seines unglücklichen Vaters beladen. Er kam mit
mir in diesen nordlichen Teil Englands, wo er unbekannt – doch
was sehe ich? Du entfärbst dich? Du zitterst, deine Blicke
verraten Abscheu und Entsetzen – Feiger! Wie sehr hab' ich mich
betrogen: Gewöhnt an das, was der Pöbel Frevel nennt, bebst du
für diesen? – Treibe deine Beleidigung nicht weiter; deine mir
erwiesnen Dienste verteidigen dich noch – Hüte dich, die
Zaghaftigkeit bis zur Verräterei zu treiben, sonst lerne für
dein Leben zittern.
Widston. Sie könnten glauben –
Henley. Verlaß mich, es nähert sich jemand, sobald ich allein
bin, eile wieder zu mir.
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