Fünfter Auftritt.
Clerdon, Truworth.
Clerdon. Umsonst, Truworth, nichts kann meine Unruhe verdrängen –
(Da er den Widston erblickt, der sich entfernt.) War das nicht
Widston, der jetzt so eilig hinwegging? Wo muß sein Herr sein,
ich glaubte ihn hier zu finden. Sein Umgang ist vielleicht das
einzige, was meine Schwermut aufheitern kann. Vergebens sind
alle Versuche, mich zu zerstreuen; gleich unversöhnlichen
Feinden dringen mir quälende Vorstellungen überall nach und
verkleiden auch die freudigsten Aussichten um mich her in eine
finstre Gestalt.
Truworth. Und Sie haben mir bis itzt die außerordentliche
Ursache dieser Betrübnis verhehlt?
Clerdon. Du weißt, daß ich einen Vater, eine Geliebte, einen
Freund hatte, daß ich sie unverzeihlich beleidigt, und sie
befremdet dich? – Ach, mein Vater, wie schrecklich wirst du an
dem Unmenschen gerächt, der dich betrüben konnte! Ja, Truworth,
dieser ehrwürdige Greis schwebt zu meiner Verzweiflung mir
stets vor Augen. Wie zerreißt nicht mein Herz das Andenken jener
Beleidigung, die ich ihm kurz vor meiner Flucht zufügte? Meine
Ausschweifungen hatten mich aufs neue in einen fürchterlichen
Mangel gestürzt. Mit unbändiger Frechheit eilte ich zu diesem
liebreichen Vater, der mich ihm schon so oft entrissen. Wie
trotzig foderte ich neue Hülfe; wie mußte sein Herz bei meinen
harten und drohenden Worten bluten! Er schwieg – mit
unaussprechlicher Zärtlichkeit heftete er seine gütigen Augen
auf mich. Tränen brachen aus ihnen mit Gewalt hervor. Ohne mir
Vorwürfe zu machen, übergab er mir den letzten Rest seines
Vermögens, umarmte mich, benetzte mich mit seinen Tränen und
sagte Worte, die mich itzt mehr peinigen, als tausend Folterer
vermöchten. Dank sei der Vorsicht, sprach er, daß mir soviel
übriggeblieben ist, deinen dürftigen Umständen, mein Sohn,
beizustehen. Was schadet es, daß ich selbst nichts mehr habe?
Laß mich, Gott, laß mich unglücklich sein, nur mache meinen Sohn
glücklich und tugendhaft! – Und dies konnte mich nicht rühren!
und ich konnte ihn verlassen, diesen teuren, diesen so sehr
gekränkten Vater? – Ich Unmensch!
Truworth. Wie ergötzend ist es für mich, diese Empfindungen bei
Ihnen zu bemerken! Verzeihen Sie einem alten Diener, der schon
lange Jahre gewohnt war, Sie zu lieben und – ja, ich darf es
kühnlich sagen – Sie als ein Vater zu lieben – Ich sehe die
Tugend wieder in Ihnen aufleben, und ich wünsche Ihnen Glück
dazu. – Wie lange beweinte ich die unselige Verblendung, die Sie
gefesselt hielt; itzt ist sie zerteilt; kommen Sie, mein Herr,
kehren Sie nach London zurück, Tugend und Religion –
Clerdon. Was? Religion? ein Phantom, vor dem ich schon lange
nicht mehr erzitterte.
Truworth. Wie, mein Herr, Sie verachten etwas, das Sie sonst so
liebenswürdig, so geehrt und, darf ich's sagen, ruhiger, als Sie
itzt sind, machte? Mein Verstand ist zwar viel zu geringe, als
daß ich über so wichtige Sachen mit Ihnen zu streiten mich
erkühnen sollte. Allein es ist ja nur kurze Zeit, daß Sie das,
was Sie itzt Aberglauben nennen, noch eifrigst verehrten. Haben
Ihre Einsichten in so wenig Zeit einen so außerordentlichen
Zuwachs bekommen?
Clerdon. Höre auf. Der Pöbel und Kinder mögen die Religion
glauben, ich nicht.
Truworth. Eins erlauben Sie mir hinzuzusetzen. Warum sind
Ihnen nach Ihrer Veränderung so viele Widerwärtigkeiten
zugestoßen! Ihr vorher so stolzerhabenes Glück liegt zerstört,
nichts als Mangel und Elend drohn Ihnen; wie traurig und
schwermütig erblicke ich Sie itzt! Sollte sich der Himmel
vielleicht – ich zittre, es auszusprechen –, sollte er sich
rächen! (Er wirft sich ihm zu Füßen.) Ach, mein Herr, mit
Tränen muß ich Ihre Knie umfassen – entschuldigen Sie meinen
Eifer – lassen Sie die letzten Tage Ihres Vaters heiter sein;
lassen Sie ihn nicht mit Angst über Ihr künftiges Schicksal ins
Grab sinken. Beschleunigen Sie nicht die Strafe des Himmels, die
zu zögern scheint – sollte es geschehen, was ich befürchte –
Ihr Unglück würde mein Tod sein.
Clerdon. Stehe auf. Deine Treue zu belohnen, will ich deine
Unbescheidenheit vergessen. Allein ich gebiete es dir, rede mir
niemals mehr davon – was meinen Vater betrifft, so habe ich
bereits darauf gedacht, ob ich nicht wieder zu ihm zurückkehre.
Der Gedanke, ihn länger vielleicht in den kläglichsten Umständen
schmachten zu lassen, ist mir unerträglich. Ich gehe, mich mit
meinem Freunde Henley darüber zu entschließen.
Truworth. Er Ihr Freund? Vertrauen Sie sich ihm nicht; seit
seiner unglücklichen Bekanntschaft – ja, ich will reden, ich will
mein Herz entledigen; länger zu schweigen, wäre ein Verbrechen –
er ist Ihr Verführer, Ihr Feind, Ihr Verderber.
Clerdon. Schweig, Unverschämter! – Und du wagst es, den Namen
meines Freundes, den mir so heiligen Namen, mit Unehrerbietung zu
nennen? Und du wagst es – Fliehe meinen Zorn, Elender, sonst
dürfte ich vielleicht vergessen, daß du meiner Rache unwürdig
bist.
(Sie gehn auf verschiednen Seiten ab.)
Ende des ersten Aufzugs.
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