Dritter Auftritt.
Granville, Clerdon.
Clerdon (zu einem Bedienten, der ihn bis an die Türe begleitet).
Dies ist also das Zimmer des Fremden, der mich zu sprechen
verlangt? (Indem er sich umsieht.) Wen seh' ich! – ich erstaune –
Granville! –
Granville. Umarmen Sie mich, liebster Freund, lassen Sie mich
eines so lange entbehrten Glücks wieder genießen.
Clerdon. Sie nennen mich Ihren Freund! Sie wollen mich umarmen?
Entweihen Sie diese Liebkosungen nicht, die Sie an einen Elenden
verschwenden, der nichts als Unwillen verdient. Lassen Sie mich
Sie fliehen. Ihre Gegenwart ist mir ein zu marternder Vorwurf.
Granville. Halten Sie ein mit diesen Reden, liebster Clerdon.
Wäre ich nicht unwert, jemals Ihr Freund gewesen zu sein, wenn
die geringen Nebel, die neulich einige Zeit unsre Freundschaft
umzogen, mich diesen Namen ganz hätten vergessen lassen? Und zu
welcher Zeit? Zu der, da die Pflichten desselben am heiligsten
sein müssen, da mein Freund in bedrängten Umständen ist.
Vielleicht hatte ich Sie beleidigt – Sie haben mich bestraft.
Die kurze Zeit, da ich Ihre Gegenwart entbehren müssen und die
für mich so quälend war, wird mich lehren, künftig vorsichtiger
zu sein. Vergeben Sie mir meinen Fehler, und lassen Sie mich
wieder den süßen Namen Freund von den Lippen meines Clerdon
hören.
Clerdon. Zu großmütiger Freund – mit Zittern nenne ich dieses
Wort, dessen ich unwürdig bin –, wie durchbohren Sie mein Herz!
ich, nur ich hatte Sie beleidigt, und warum? weil Sie mich
liebten, weil Sie mir die Hand reichten, mich von einem Abgrunde
zu retten, an dem ich sorglos herumirrte. Ich Elender! wütend
stieß ich diese mitleidige Hand zurück –
Granville. Noch einmal, Clerdon, hören Sie auf, davon zu reden.
Lassen Sie das das Zeichen sein, daß Sie mir Ihr Herz wieder
schenken, daß Sie von den traurigen Zufällen schweigen, die mir
es entwandt hatten. Die ersten Tage unserer wiederauflebenden
Freundschaft, die uns so freudig und heiter sein sollten, werden
ohnedem wolkicht genug sein. Ich habe Ihnen Nachrichten zu
bringen – bereiten Sie Ihr Herz, den fürchterlichsten Anfällen
des Schreckens und der Betrübnis Widerstand zu tun – Ihr Vater –
Clerdon. Sie stocken – genug, Freund, mein Unglück, mein
Verderben ist auf seinem Gipfel – meine Verzweiflung muß es auch
sein – (Er will abgehn.)
Granville (hält ihn zurück). Wohin, Clerdon? Unmännliche
Verzweiflung! Rufen Sie jenen Mut zurück, der Sie sonst über
andre erhub. Ihr Vater, es ist an dem, ist dahin; doch so tief
ihn auch sein Unglück erniedrigte, so starb er dennoch nicht in
Verzweiflung. Welch ein Heldenmut in seinen letzten Stunden! –
Itzt zürnt er vielleicht, daß ihm sein Sohn so unähnlich ist.
Clerdon. Nein, er wird diesen Elenden seines Andenkens unwürdig
halten, und denkt er an ihn, so wird er ihn verabscheuen. Schonen
Sie meiner nicht, sagen Sie mir das Schrecklichste, das mir noch
übrigbleibt. Erzählen Sie mir die fürchterlichen Flüche, die
sein Zorn in seinen letzten Stunden wider mich aussprach – – ich
hatte sie verdient – konnte er meinen Namen ohne Entsetzen
hören? foderte er nicht Elend und Verderben über einen Sohn auf,
der sein Verderben geworden! Marternder Gedanke! – Lassen Sie
mich, Freund, ich eile, ihn zu rächen.
Granville. Nein, ihn aufs neue zu beleidigen – sein Gebot, das
Gebot Ihres sterbenden Vaters, befiehlt Ihnen etwas anderes.
Bezähmen Sie diese stürmende Betrübnis, und hören Sie von mir
die Empfindungen seiner letzten Stunden. Wie unähnlich sind sie
Ihren Besorgnissen! die einen so zärtlichen Vater beleidigen –
Ich übergehe die genauern Umstände seines Todes, Ihre zu sehr
aufgebrachten Leidenschaften verstatten nicht diese Erzählung –
meine Tränen verraten mich –, sie waren traurig –
Clerdon. Nur zu sehr sagen mir diese Tränen, wie schrecklich
sie gewesen sind.
Granville. Ich war damals entfernt. Sobald ich seinen
gefährlichen Zustand vernommen, kehrte ich nach London zurück.
Ich sah ihn. Alle seine Züge verkündigten den kommenden Tod;
doch herrschte eine Gelassenheit in ihnen, die seine ganze edle
Seele entfaltete. "Sie sehn es", sagte er mit leiser, gebrochner
Stimme, "das Ende meiner Bedrängnisse nahet heran. Ich sehe ihm
mit Freuden entgegen, ich segne die erlösende Hand des Todes,
und ich würde ganz Heiterkeit sein, wenn nicht eine Betrachtung
mich noch mit Schmerz erfüllte. Mein Sohn" – hier ward seine
Sprache von Seufzern erstickt, Tränen überflossen sein bleiches
Gesicht – "Mein Sohn ist fern, in Gefahr, in Unglück, ich muß
sterben und kann ihn nicht zuvor wieder glücklich wissen. Eilen
Sie zu ihm, erheitern Sie zum mindsten seine Seele mit Trost;
sagen Sie ihm, daß ich ihn liebe, daß ich ihm vergebe, daß diese
ohnmächtigen Hände sich für ihn zum letztenmale falten, diese
sterbenden Lippen für sein Wohl die letzten Gebete stammeln, daß
meine letzte Träne für ihn geflossen ist. Bringen Sie ihm
meinen Segen, und sollte ihn mein Tod betrüben – denn vielleicht
liebt er mich noch –, so beschwören Sie ihn, seinen Schmerz nicht
ausschweifen zu lassen; doch sagen Sie ihm zugleich" – hier
erhub sich seine Stimme, sein Ansehn ward feierlicher – "wo die
Bitten, das Gebot seines sterbenden Vaters, wo die Stimme seines
warnenden Schutzengels, der vielleicht durch mich redet, etwas
über ihn vermögen, so soll er zur Tugend und Religion
zurückkehren, dann werde er glücklich sein" – Ich habe mich
bestrebt, die Worte Ihres Vaters beizubehalten, keine können
seine Regungen lebendiger ausdrücken – Sobald er sie geredet,
sammelte er den letzten Rest seiner hinsinkenden Kräfte,
richtete sich empor, hub seine Augen gen Himmel und tat die
feierlichsten Wünsche für Ihre Änderung und Glückseligkeit.
Unter diesem Gebete überraschte ihn der Tod, und sein letztes
Wort war der Name seines Sohnes – Und nun, liebster Freund,
gehorchen Sie der Bitte Ihres Vaters, lassen Sie sich durch die
Last Ihrer Schmerzen nicht überwältigen – Sie schweigen? eine
trunkne Betäubung scheint Sie fühllos gemacht zu haben? –
Durchbohren Sie mich nicht länger durch diesen Anblick.
Clerdon. Zu zärtlicher Freund eines Unwürdigen, überlassen Sie
mich einige Augenblicke mir selbst, geben Sie mir Muße, mich aus
diesem Wirbel aufrührischer Leidenschaften herauszuarbeiten.
Granville. Ich gehorche; wenn Sie es erlauben, werde ich bald
wieder zurückkehren.
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