Fünfter Auftritt.
Clerdon, Henley.
Clerdon (sobald er den Henley erblickt). Er ist schuldig,
Henley. Mitten unter den erkünstelten Schmeicheleien, die wider
meinen Verdacht kämpften, drang ich bis zu seinen entsetzlichen
Absichten hindurch. Ich nannte seine Schwester; er geriet in
Verwirrung, er gestand – Freund, nehmen Sie teil an meiner
Wut. Granville ist schuldig, er ist der niederträchtigste
Treulose.
Henley. Sie verließen einander ohne Zweifel sehr aufgebracht?
Clerdon. Noch wollte er sich verteidigen, noch glaubte er sich
unter den Hüllen der Verstellung sicher, so gewiß war er seiner
Erfahrung in derselben, mit so vieler Kunst suchte er mich ins
Verderben zu stürzen; er versicherte mich, da er mich verließ,
er wolle bald zurückkehren und sich vollkommen rechtfertigen.
Henley. Wie sehr fürchte ich, er werde sich endlich Ihres
Vertrauens wieder bemeistern, und dann sind Sie der ganzen
Willkür seiner geheimen Feindschaft überlassen. Er ist ein zu
großer Künstler im Betruge.
Clerdon. Besorgen Sie nichts; ich werde unüberwindlich gegen
seine List sein. Alles redet wider ihn, sein eigner schändlicher
Brief, die Warnung des Unbekannten, die für mich geheimgehaltene
Gegenwart seiner Schwester – Ja, Henley, Sie selbst würde ich
für meinen Feind achten, wollten Sie ihn noch entschuldigen.
Henley. Auch Ihr Haß, so fürchterlich er mir sonst ist, würde
mich nicht abschrecken, Freunde wieder zu versöhnen – das
freudigste Geschäfte für edelmütige Seelen! – wäre nur nicht –
mit Schmerzen bekenne ich es – aller Weg, ihn zu entschuldigen,
verschlossen – was sind indessen Ihre Absichten? Von mir können
Sie überzeugt sein, daß ich eher den Tod wählen als mit dem
Raube meines Freundes mich bereichern würde. Ein anderer wird
also das Werkzeug werden, durch das man Ihnen den tötenden
Streich beibringt. Wollen Sie wohl einem andern diejenige
geruhig überlassen –
Clerdon. Der bloße Gedanke einer solchen Niederträchtigkeit
beschimpft mich. Sollte ich meine Ehre, meine Liebe – denn ich
muß es Ihnen gestehn, noch itzt liebe ich Miß Granville, und
ich fühle es, diese Leidenschaft wird nur mit mir selbst
sterben. Mitten unter meinen Ausschweifungen, da jedermann sie
für erstickt hielt, da ich mich recht ängstlich zu bestreben
schien, mich der, die ich so unaussprechlich liebte, zum Abscheu
zu machen, selbst da war sie nur betäubt, und oft war es an dem,
daß sie mich siegend zu ihren Füßen zurückführen sollte. Bei
meiner Entfernung von London erwachte sie völlig. Ich verhehlte
Ihnen meine Schwachheit. Dank sei meinem Unglücke, ich fand
stets Ursache genug, meine Schwermut zu rechtfertigen, ohne des
Anteils, den diese daran hatte, zu erwähnen. – Und ich sollte
den Anblick ertragen können? – diejenige, die ich anbete, die
schon durch die heiligsten Versicherungen die meinige ist, in
eines andern Armen – dieser Triumph sollte des Elenden
Untergang sein – ich sollte sehen, daß Granville, dieser
Niederträchtige, dieses Ungeheuer – hier vereinigen sich alle
meine empörten Bewegungen, hier wird meine ganze Seele Rache.
Ich will, wenn es möglich ist, grausamer, unmenschlicher gegen
ihn sein, als er es gegen mich ist.
Henley. Wie freue ich mich, Sie in einer Ihrer so würdigen
Verfassung zu erblicken! Solange man es mit einiger Hoffnung
versuchen konnte, entschuldigte ich Granvillen. Itzt würde ich
ihm ähnlich und gleich treulos sein, wenn ich nicht den
edelmütigen Zorn Ihrer beleidigten Ehre billigen sollte. Ja,
eilen Sie zu ihm; ohne ihm Zeit zu lassen, zu erkünstelten
Entschuldigungen zu flüchten, müsse ein rächender Dolch –
Clerdon (aufgebracht). Was raten Sie mir, Henley?
Henley. Was die Ehre befiehlt, was Ihre Pflicht ist – Granvillen
zu töten.
Clerdon. Granvillen zu töten?
Henley. Sie stutzen? sind Sie noch zweifelhaft?
Clerdon. Ich soll niedrig genug sein, mich der Schmach eines
Meuchelmordes zu unterwerfen? Ich soll ehrlos werden, die Rechte
meiner verletzten Ehre zu ahnden?
Henley. Mein Eifer hat verursacht, daß ich zweideutig redete.
Zwingen Sie ihn zum Zweikampf, nur unter solchen Umständen, daß
er ihn nicht ausschlagen kann. Geben Sie ihm Raum, sich zu
entschuldigen, so sind Sie verloren.
Clerdon. Wozu muß mich dieser Unglückselige bringen! Ach, Henley,
wüßten Sie, welch ein Tumult, welch ein Kampf widerwärtiger
Bewegungen diese Brust zerreißt! – Wie sehr habe ich ihn nicht
geliebt! mit Freuden hätte ich einst mein Blut für ihn
verschwendet. Und er mußte mich so treulos hintergehn? und ich
soll ihn – Sie sehn meine Tränen hervorbrechen; tadeln Sie sie
nicht, sie beweinen den Tod einer Freundschaft, die sonst das
Glück meiner Tage war.
Henley. Ich beklage sie und verabscheue den Granville immer
heftiger. Jede Träne, die Sie um ihn weinen, erhöht sein
Verbrechen. Doch itzt müssen Sie alle diese erweichenden
Vorstellungen entfernen. Sie würden nur Ihren strafenden Arm
ohnmächtiger machen. Töten Sie den Verräter, und dann bedauern
Sie, daß er Sie dazu zwang.
Clerdon. Werde ich mich aber hierdurch dem Ziel meiner Wünsche
nähern? Wird seine Schwester eine Hand annehmen, von der das
Blut ihres Bruders herabträufelt? Unsinn wär' es, dies nur zu
denken.
Henley. Und werden Ihre Wünsche vergnügt werden, wenn Sie es
unterlassen? Werden Sie nicht zugleich unglücklich in Ihrer
Liebe, beschimpft, ungestraft beleidigt, erniedrigt in den Augen
Ihrer Freunde und der Spott des frohlockenden Granville sein?
Nein, Clerdon, rächen Sie sich, und überlassen Sie das übrige
dem Geschicke. Vielleicht kann man die Hand vor ihr verbergen,
durch die ihr Bruder fiel – vielleicht kann die Zeit – doch was
erwähne ich das? Sie können unmöglich klein genug sein, daß
solche Gedanken Ihre Rache entwaffnen sollten – noch sind Sie
zweifelhaft?
Clerdon. Ich muß gestehn, es war eine Zeit, da ich nicht
vorteilhaft von dem Zweikampfe dachte. Ich hielt ihn für einen
nur feierlichern Frevel, für eine prahlende Niederträchtigkeit.
Henley. O erwähnen Sie niemals, ohne schamrot zu werden, die
schimpflichen Zeiten Ihrer Verblendung! Alles nichts als
Vorurteile, die uns zu Verzagten erniedrigen wollen? Danken Sie
es Ihrem Geschicke, daß Sie diesen abergläubischen Irrtümern
entsagt haben, die itzt Ihre zur Rache schon aufgehabne Hand
fesseln würden – ein Geräusch erhebt sich, vermutlich ist's
Granville, der zu Ihnen zurückkehrt. Ich muß seiner Gegenwart
ausweichen. Erinnern Sie sich, wie heilig Sie mir versprochen,
nichts gegen ihn von mir und seinem Vorhaben zu gedenken. Daß
Sie es wissen, darf er nicht eher erfahren, als bis er Sie im
Begriff sieht, es zu strafen.
|