Vierter Auftritt.
Henley, Widston.
Widston. Man hat mir gesagt, mein Herr, daß Sie mich zu sprechen
verlangten.
Henley. Ja, Widston, vereinige deine Freude mit der meinigen,
wünsche mir Glück. Bald ist meine Rache vollführt, bald ist
Clerdon der Unglücklichste – du entfärbst dich? Wie! welchen
Teil nimmst du an seinem Schicksal?
Widston. Keinen, mein Herr.
Henley. Ha, Verräter! die Verstellung ist fruchtlos. Ich kenne
deine Treulosigkeit – der Brief an Clerdon –
Widston. Ja, er war von mir. Ich sehe, mein Herr, Sie haben alles
erfahren. Ich bin entdeckt und, ich weiß es, dem Tode nahe.
Doch, wo die Worte eines Menschen, der so lange ein Diener Ihrer
Gewalttätigkeiten gewesen, bei Ihnen einiges Gewicht haben, so
sättigen Sie Ihren Grimm an mir und verschonen Sie Ihres
unglücklichen Freundes. Er wirft sich in Ihre Arme, sein Herz
weiß nicht, wie es etwas für Sie verbergen soll; die feurigste
Zärtlichkeit spricht aus ihm, wenn er Ihrer gedenkt, er hält Sie
für seine einzige Zuflucht, für den Trost seiner Bedrängnisse. –
Und Sie könnten ein Vergnügen finden, ein Herz zu peinigen, das
Sie unaussprechlich liebt? – Womit hat er Sie jemals beleidigt!
Er besaß Vorzüge, die den Ihrigen schadeten; beruhigen Sie sich,
Sie haben ihn von diesem schimmernden Gipfel herabgestürzt; kann
Ihnen das nicht genug sein? Sie haben ihn seines Vaters, seiner
Geliebten, seines Freundes, seines Vermögens und, was das
Wichtigste ist, seiner Tugend beraubt; itzt wollen Sie ihm noch
alle Mittel, sich zu retten, entwenden und, da er hier nichts
mehr zu verlieren hat, den rächenden Arm selbst über seine
künftigen Hoffnungen verwegen erheben – O mein Herr, wo Sie
nicht wollen, (er fällt ihm zu Fuße) daß ein unversöhnlicher
Fluch Ihr Grab noch verfolgen soll, wo der Gedanke jener
fürchterlichen Ewigkeit etwas bei Ihnen vermag, so stehen Sie
von dem entsetzlichen Vorhaben ab.
Henley. Stehe auf, Widston, ich fühle es, ich bin überwunden.
Widston. In welches Entzücken setzen Sie mich. Wie, so dürfte
ich hoffen? –
Henley. Ja, es ist geschehn; dein Brief, den ich bei dem Clerdon
erblickte, die Freundschaft und Zärtlichkeit dieses
Unglücklichen machten bereits meinen Entschluß wankend. Alles,
was ich dir itzt von meiner bald hinausgeführten Rache sagte,
der Zorn, den ich gegen dich äußerte, alles war Verstellung, die
mich nur gewisser machen sollte, daß du der Urheber des Briefs
an Clerdon seist. Deine Bitten haben mich vollends entwaffnet.
Ich verzeihe dir, ich schenke dem Clerdon meine Freundschaft
wieder, und ich werde eben die Bemühungen anwenden, seine Leiden
zu enden, die ich vorhin verschwendete, ihn in neue zu
verwickeln. Du kannst dich bei meinem Versprechen beruhigen.
Widston. Ja, es beruhigt mich; was sollte Sie bewegen, sich gegen
einen Elenden zu verstellen, der in Ihrer Gewalt ist?
Henley. Du siehst, wieviel ich dir verzeihe; belohne mich dafür
mit einer Offenherzigkeit, die du mir sonst nie zu versagen
pflegtest. Was bewog dich, einen so zärtlichen Anteil an dem
Geschicke des Clerdon zu nehmen und zugleich ein Verbrechen –
itzt nenne ich es so – hintertreiben zu wollen; dich, der sonst
nur zu fertig war, sie auszuführen? Ich wiederhole es, alles ist
vergeben; deiner Verstellung würde alle Beschönigung mangeln.
Widston. Der leutselige Charakter des Clerdon, seine vorzügliche
Güte gegen mich hatten ihm mein Herz erobert. Noch mehr aber
bewog mich der Anschlag selbst, an den ich auch noch itzt – ich
rede frei – nicht ohne Schauer denken kann. Das Entsetzliche, das
ihn begleitete, da er bis über dieses Leben hinausging,
erweckte auf einmal zu graunvolle Vorstellungen in mir. Mein
sonst fühlloses Herz ward aufgebracht. Meine Einbildung
schreckten die fürchterlichsten Bilder. Überall glaubte ich
einen Abgrund zu sehn, der mich zu verschlingen drohte, wo ich
schwiege. Gedrungen, wider meinen Willen ward ich ein Verräter –
itzt danke ich dem Himmel, daß ich es geworden bin.
Henley. Zu Clerdons und selbst meinem Glücke bist du es worden.
Ich werde von nun an die süßen Freuden großmütiger
Versöhnlichkeit schmecken, ohne dich mir ewig fremde, ungefühlte
Freuden – Doch ich wünschte, du möchtest dich von hier entfernen.
Clerdon, der dich für den Urheber des Briefs hält, wird ohne
Zweifel bei dir nach den weitern Umständen forschen. Dies könnte
dich in Verlegenheit setzen oder vielleicht aufs neue eine
tödliche Feindschaft unter uns beiden entzünden und mich
nötigen, Absichten, die ich itzt verworfen, wieder zu
ergreifen. Ich will dies durchaus nicht. Ewig muß ihm dieses
unglückliche Geheimnis verborgen sein. Begib dich sogleich auf
mein Gut, und laß alles sich anschicken, mich und den Clerdon
und vielleicht mehrere Freunde zu empfangen; ich will indessen
arbeiten, sein Gemüt zu beruhigen und sein Glück wiederherzustellen;
sobald mir dieses gelungen ist, folge ich dir,
und dann wird alles in Vergessenheit begraben sein.
Widston. Ich werde Ihren Befehl aufs sorgfältigste vollstrecken.
Henley. Ich höre jemand kommen. Entferne dich und reise sogleich
ab. Vor allen vermeide den Clerdon.
Widston. Ich gehorche. (Er geht ab.)
Henley. Das fürchterlichste Hindernis ist hinweg – Geh nur,
Elender, bald werde ich dir folgen und Tod und Rache mit mir!
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