Fünfter Auftritt.
Henley, Clerdon.
Henley. Nun, Clerdon, haben Sie Ihre Schmach geahndet? Haben Sie
den treulosen Granville –
Clerdon (in heftiger Bewegung). Wo bin ich – wer rettet mich?
Henley. Fassen Sie sich; Sie sind bei Ihrem treusten Freunde.
Wovon sollte ich Sie retten? Niemand ist hier, der Sie beleidigen
will.
Clerdon. Hören Sie jenes sterbende Röcheln? – Wie entsetzlich
tönt es in meinen Ohren! – erblicken Sie nicht den bleichen
blutigen Körper, wie furchtbar er mir droht?
Henley. Ihre verirrte Phantasie gebiert diese Schreckbilder.
Sein Sie ruhig –
Clerdon. Ich, ruhig? O Angst! O Verzweiflung! Sehen Sie diese
blutigen, diese von Mord noch rauchenden Hände – ich könnte
ruhig sein?
Henley. Ich sehe, daß Sie einen Treulosen, Niederträchtigen, den
unversöhnlichsten Feind Ihrer Glückseligkeit gestraft haben.
Clerdon. Vielleicht würden Sie ihm gelindere Namen geben, wären
Sie selbst ein Zeuge der schrecklichen Begebenheit gewesen.
Henley. Und Sie könnten noch zweifeln –
Clerdon. Hören Sie die Umstände dieser abscheulichen Tat, und
dann richten Sie. – Sie wissen, wie wütend ich Sie verließ. Ich
eilte nach dem Garten. Alles schien sich um mich her in Nacht
und Grauen zu verhüllen. Die Erde, wie es mir vorkam, zitterte
unter meinen Füßen. Überall erblickte meine aufgewiegelte
Einbildung nichts als schauervolle Tiefen, die den entsetzlichen
Gang verhindern wollten – vielleicht warnende Stimmen eines
gütigen Geschickes! Mein zügelloser Grimm war gegen alles taub.
Ich fand den Granville. Er streckte schon die Arme aus, mich in
einer zärtlichen Aufwallung zu umarmen. Tobend stürmte ich auf
ihn ein und foderte ihn zum Zweikampfe auf. Er entsetzte sich,
er flehte, er beschwor mich auf das rührendste, ihm nur sein
Verbrechen vorher zu eröffnen; er verschwendete die zärtlichsten
Liebkosungen; nichts erweichte mich. Ich entblößte den Degen
und fiel ihn an. Er zog endlich den seinigen, sich zu
verteidigen – und eine wehmütige Träne entfloß seinem Auge,
da er es tat. Zweimal gab ihm meine unbändige und unvorsichtige
Hitze mein Leben in seine Gewalt, und zweimal – O Gedanke, der
ewig mein Peiniger sein wird! – zweimal wandte er die tödliche
Spitze von meiner Brust hinweg. Hätte nicht dieses meine
blutdürstige Wut entwaffnen sollen? In dem ganzen Kampfe schien
er mit größrer Besorgnis für mein Leben als für das seinige
eingenommen zu sein. Diese zärtliche Großmut ward ihm endlich
nachteilig. Es gelang mir – wäre es mir doch nie gelungen!
Hätte mich doch ein niederschmetternder Donner getroffen, ehe
ich den unseligen Streich vollführte! – Ich sah ihn fallen.
Ströme von Blut bedeckten ihn. Todesblässe überfloß sein
Gesicht. Seine Augen voll Menschlichkeit und Güte wurden
verdunkelt, ohne dennoch mit Haß und Abscheu gegen seinen Mörder
erfüllt zu werden. Liebreich, mitleidig, mit einer Zärtlichkeit,
die ihn in diesem Augenblicke über die Menschheit erhub, wandte
er sie auf mich. Dieser Anblick durchdrang mich. Plötzlich
sanken jene aufgetürmten Wagen von Wut und Rache, die mich
vorhin unwiderstehlich mit sich fortschleuderten, darnieder.
Schüchtern entfloh ich – der Unglückliche sammelte seine letzten
Kräfte, und anstatt mir Flüche nachzudonnern, bat er mich mit
ohnmächtiger wehmütiger Stimme, zu ihm zurückzukehren, nannte
mich seinen Freund, seinen geliebten Clerdon – mich, den
Unmenschen, der ihn ermorden konnte. Und auch dieses versagte ich
ihm noch! Vielleicht haucht er in diesem Augenblicke seine
edelmütige Seele aus. Lassen Sie mich zu ihm zurückeilen und
zu seinen Füßen für Wehmut sterben.
Henley (der ihn zurückhält). Sie vergessen sich, Clerdon. Wie?
Sie wollten sich der Gefahr bloßstellen, von einer Menge
Personen, die vielleicht um ihn beschäftigt sind, für den
Urheber seines Todes erkannt zu werden. Sie müssen auf Ihre
Sicherheit bedacht sein, Sie müssen diesen Ort sogleich
verlassen.
Clerdon. Wo könnte ich Sicherheit finden? Wohin würde mir nicht
die verklagende Stimme des Blutes meines Freundes nachschallen?
Wo könnte ich dem Bilde entfliehen, das mir den, den ich so
zärtlich liebte, blutig, entstellt, von meiner Hand ermordet zu
meinen Füßen liegend vorhält. Diese entsetzlichen Vorstellungen
werden gleich unerbittlichen Verfolgern mir überall nacheilen.
Überall werde ich Flüche rauschen hören, jeder Ort wird sich um
mich her in eine Hölle verwandeln.
Henley. Wie können Sie so schwach sein und sich über eine Tat
ängstigen, zu welcher Sie die strengste Gerechtigkeit nötigte?
Wie? Weil Granvillens Zaghaftigkeit oder Ungeschicklichkeit
Ihrer aufrührerischen Einbildung Großmut und die jedem
Sterbenden eigne Begierde, jemanden zu seinem Beistande um sich
zu sehen, Liebe und Zärtlichkeit schien, reuet es Sie,
denjenigen gestraft zu haben, der ein grausames und
unmenschliches Vergnügen darinne fand, einen Unglücklichen noch
unglücklicher zu machen, ihm sein Kostbarstes zu rauben und
dann über seine Schmerzen und Verzweiflung öffentlich zu
frohlocken.
Clerdon. Ja, es möge so sein, er sei wirklich der Treulose, an
dem ich mich zu rächen gedachte. Ist es ein Irrtum, o möchte
ich ihn nie verlieren, diesen einzigen Balsam für meine
brennende Wunde! – Und dennoch wird selbst dieser sie nicht ganz
heilen – Ich habe nun alles verloren, was mir jemals schätzbar
gewesen ist, ich habe nun nichts mehr zu hoffen als den Tod. Wie
sehn' ich mich nach ihm! Möchte ich doch bald in dem Schoße
seiner Finsternisse mich und mein schreckliches Geschick für
aller Welt verbergen können! Selbst die Hand der Gerechtigkeit
wird mir willkommen sein –
Henley. Welch ein Geräusch erhebt sich – Himmel! man führt den
sterbenden Granville hieher. Kommen Sie, Clerdon, wir müssen
diesen Anblick vermeiden.
Clerdon. Ich kann nicht – Ich fühle es, eine geheime
unwiderstehbare Macht hält mich zurück. Ich zittre für dieser
furchtbaren Szene, und dennoch habe ich nicht Gewalt genug, sie
zu fliehen.
Henley. Sein Sie zum mindsten vorsichtig, sich nicht zu
verraten – mir fällt es ohnmöglich, einen Augenblick hier zu
verweilen.
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