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Fünfter Auftritt.
Brutus, Publius.
Publius.
So sehr
Dein unbiegsamer Stolz den meinen reizt;
So mächtig mich die Stimme des Geblüts
Auffodert, mein ermordetes Geschlecht
An dir zu rächen; so verdränget doch
Den so gerechten Haß die Ehrfurcht, die
Gewaltsam dein Verdienst von mir entriß.
Dich überzeugt davon, was ich dir jezt
Eröffne: – Lebet das Gedächtniß noch
Von einem Sohn in dir, den du, als Rom
Aufs neue die Empörung Lepidus
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Erschütterte, in Mutina verlorst?
Als von des Aufruhrs zu gewaltgem Strom
Dein Vater selbst dahin gerissen ward?
Brutus.
Warum ruft deine Grausamkeit den oft
Beseufzten Tag zurück? Der einzge Sohn,
Mit welchem mich der Götter Gunst beglückt,
Fiel da, ein Opfer des blutdürstgen Schwerdts.
Publius.
Du irrst, es lebt dein Sohn.
Brutus.
Er lebt – mein Sohn? – –
Doch nein! – Du hintergehst mich, Grausamer!
In die verdickte Nacht des Grames mich
Zurück zu stürzen, schuf dein Haß voll Kunst
Den trügerischen Glanz, dem schon mein Herz
Zu trauen sich entschloß.
Publius.
Ist dieß der Lohn
Der Wohlthat, die dir deinen Sohn erhielt?
Doch höre mich, und dann beschuldige,
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Wenn du noch zweifeln kanst, mich des Betrugs.
Du weißt, als des Pompejus siegend Heer
Das hohe Mutina, für das umsonst
Dein Vater und mit ihm Verzweiflung stritt,
Bekriegte, folgt' ich ihm, voll Ungeduld
Den Tag zu sehn, durch meines Feindes Fall
Für mich den festlichsten. Du weist, wie bald
Vor unsrer Macht die Mauren Mutina
Hinsanken, unser Schwerdt die Stadt gewann,
Und auf Pompejus strengen Wink (mein Werk
War dieser Ernst!) das rächerische Beil
Den Vater dir entriß. – Wie jauchzt' ich, als
Der Mörder meines Stamms durch gleiche Schmach
Erniedriget im Tode ward! – Vergieb,
Wenn Haß und Zorn in meinen Worten tobt.
Versöhnen kan ich mich mit seinem Sohn;
Doch nie mit ihm. Selbst in dem Reich der Nacht
Verfolgt, von Wut entbrannt, mein Schatten ihn.
In dem Tumult, der die bezwungne Stadt
Durchströmte, fand ich deinen Sohn. Die ihn
Umgaben, flohn bestürzt von ihm hinweg.
Sein Alter (denn du weißt, er sah damals
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Den zweyten Lenz verblühn) entwaffnete
Schnellsiegend meinen Haß; er ward verschont.
Bis jetzt ließ unsre Feindschaft mir nicht zu,
Dir dieses kund zu thun.
Brutus.
Beglückter Tag! –
So lebt er denn! – Ihr Götter! welcher Dank,
Welch Opfer kan die nie gehofte Gunst
Bezahlen! – Wie? mein Sohn? – mein Sohn? – er lebt?
Ach! dieses Glück beugt unter seiner Last
Den trunknen Geist darnieder! – Publius,
Wo ist mein Sohn? Wo kan ich – sprich – wo kan
Ich ihn mit diesem Arm, der ihn so lang'
Entbehret hat, umfassen, und entzückt
Die theure Stirn mit Thränen netzen, die
Die Wollust weinet, und an seiner Brust
Ganz Vater seyn?
Publius.
Von ihm entfernet dich
Nur wenig Raum; in unserm Lager ist
Dein Sohn.
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Brutus.
Im Lager des Antons? Mein Sohn?
Wie schnell verdunkelt sich um mich herum
Der Aussicht Heiterkeit! Mein Sohn bekämpft
Sein Vaterland? er weiht das knechtsche Schwerdt
Der Tyranney? Wenn dieser Frevel ihn
Erwartete; warum, ihr Götter! ward
Ihm nicht der beßre Tod gegönnt?
Publius.
Vergiß
Den schwärmerischen Stolz des Stoikers.
Das Leben deines Sohns hängt von dir ab.
Ihn kennt Anton; nimmst du den Frieden an,
So wird er dir alsbald zurück gesandt.
Und wählest du den Krieg, so büßt sein Blut
Des Vaters Schuld. Das aufgehobne Schwerdt
Der Rache wartet, wenn ich komme. – Bring'
Ich Frieden nicht: so stirbt – entschliesse dich!
Brutus.
Es ist geschehn!
Publius.
Was wählst du?
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Brutus.
Meine Pflicht,
Roms Heil, den Krieg – Den Göttern überlaß
Ich meines Sohns Geschick. Kein Weg, den mir
Die Pflicht erlaubt, beut, ihn zu retten, sich
Mir dar: muß nicht sein Tod der ernste Schluß
Der Götter seyn?
Publius.
Nur deine Herrschbegier,
Kein Gott, ruft über ihn den Untergang.
Die stolze Lüsternheit, auf deinen Wink
Die halbe Welt zum Streit empört zu sehn,
Ertödtet der Natur Gefühl in dir.
Befriedige den mörderischen Stolz,
Komm selbst! (es fehlt der heldenmüthigen
Unmenschlichkeit, es fehlet deinem Ruhm
Noch diese That!) komm, sieh, wie deinen Sohn
Der Tod mit jener Furchtbarkeit, die ihm
Der rächerische Pomp der Strafe giebt,
Umringt! Sieh! wie voll sanfter Unschuld er
Das jugendliche Haupt dem Drohn des Beils
Darbeut, wie schnell auf ihm ein ganzer Lenz
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Von Anmuth stirbt! Sein Blut umströme dich! –
Hör ungebeugt sein letztes Röcheln, das
Die Grausamkeit verklagt, die nichtgen Glanz
Mit seinem Leben kauft! Frolocke denn!
Mehr als ein Sieg sey dieser Anblick dir!
Empfinde ganz, wie groß, wie standhaft du
Seyn müssest, fühllos da zu seyn, wo sonst
Ein Niedrigdenkender nur Wehmuth ist! – –
Du schweigst? Du scheinst erweicht? ein Brutus, wie?
Ein Held, erweicht?
Brutus.
Hör auf, fruchtlose Qual
In dieß zerrißne Herz zu reden! – Ganz
Fühl' ich, welch Opfer ich dem Vaterland'
Darbringen will. Vom Schmerz, den Worte nicht
Erschöpfen, überströmt fühl ich es. – Doch
Unüberwunden steht noch mein Entschluß. –
Vergieb mir Sohn! nur Pflicht, nur Vaterland
Zieh ich dir vor! – verlaß mich, Publius,
Ich eile zu dem Heer, zum nahen Kampf
Mit Muth es zu begeistern. – Dann verdrängt
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Der Patriot den schwachen Vater. – Dich
Ruft deine Pflicht zu deinem Heer zurück.
Publius.
So kann dich Brutus nichts – –
Brutus.
Entferne dich!
(Publius geht ab.)
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