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Fünfter Auftritt.
Brutus, Marcius.
Marcius.
Ich komm auf deinen Wink. – Es weissagt mir
Dein Blick ein wichtiges Geheimniß.
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Brutus.
Ach!
Mein Freund, mein Marcius! wie werd ich nicht
Dein edles Herz verwunden müssen! Nein! –
Nein! diese freye Stirn, die Grosmuth, die
Aus diesen Augen redt, vertheidigt dich.
Verhüllt in ein so glänzendes Gewand
Das Laster sich? und dennoch klagt der Neid –
Dieß glaubt dein Freund – dich an. Verrätherey,
Haß wider Rom und mich, erkühnt er sich,
Dir aufzubürden. – Lies in dieser Schrift
Die schimpfliche Beschuldigung. – Er thut
Dir nichts als Haß von deinem Feinde kund.
(Er giebt ihm einen Brief.)
Marcius.
(Nachdem er ihn gelesen.)
Nimm dieses Schwerdt, nimm es, und tödte mich!
Brutus.
Dich tödten?
Marcius.
Tödte mich! Dein Argwohn ist
Mir mehr, als todt.
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Brutus.
Vergieb mir, Marcius!
Mein Herz spricht dich nun los. Den edlen Zorn,
Den der Gedank, daß ein Verdacht dich trifft,
In dir entzündet, kennt die Seele nicht,
Die zum Verbrechen sich erniedrigte.
Marcius.
Du sprichst mich los? – und kennt mich Brutus auch?
(Er wirft sich ihm zu Füßen.)
Ich fodre meinen Tod. – Verbann die Gunst,
Die deinen Arm noch fesselt. – Wohlthat ists,
Den Tod mir zugestehn. Entlasse mich
Von einem Leben, das ich hassen muß.
Brutus.
Erschüttert ein Verdacht, die Schmach, die auch
Das würdigste Verdienst erfuhr, so sehr
Den heldenmüthgen Geist? Mein Marcius?
Mein Sohn will seinen Tod von mir? – verdient'
Ich je von dir die Bitte? Hätt' ich noch
(Die Götter wissen es!) den Sohn, den mir
Ihr Zorn geraubt; ich könnte nicht für ihn
Mehr Vater seyn, als ich für dich es bin.
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Zu theuer ist dein Leben Rom und mir.
Unwiderstehbar reißt ein mächtger Zug
Mich zu dir hin; und dich zu lieben, ist
Mein freudigstes Gefühl.
Marcius.
Mich lieben? – Du? –
O Zärtlichkeit! o Freund! – Mein Untergang
Könnt' er in diesem Augenblick dein Wohl
Erkaufen!
Brutus.
Und ich war unedel gnug,
Ein Herz, wie dieß, auch nur durch zweifelndes
Vertrauen zu beleidigen! – – Vergieb
Mir, Marcius! ich weiß, wie zärtlich du
Mich liebst. Laß dies' Umarmung mein Versehn
Aussöhnen. – Nie empfundne Wollust strömt
In meinen Geist, wenn ich an diese Brust
Dich drücken kan.
Marcius.
Ich kenne mich nicht mehr. –
O Erde! decke mich! – Nein! hoff' es nicht,
Barbar! – ich kan ihn nicht – welch furchtbar Bild! –
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Mein Vater blutet hier – Entsetzen, Tod
Und Grauen sind um mich! – O Pflicht! o Eid!
O Vater! –
Brutus.
Welch ein plötzlicher Tumult
Zerrüttet deinen Geist? Beruh'ge dich.
Des Vaters Frevel ists, nicht deiner, daß
Auch wider ihn du kämpfen mußt. – Vertrau
Den Göttern! Unsichtbar schwebt über dir
Ihr Schutz, und lenkt von dem dir heilgen Blut
Die trunkne Wut des Schwerdtes ab.
(Brutus zeigt eine plötzliche Unruhe.)
Marcius.
Du bebst?
Ein banger Schauer strömt in dein Gesicht
Empor? – Was kann so plötzlich –
Brutus.
Marcius!
Ein marternder Gedank drang, gleich dem Blitz,
Durch meine Seele hin. – Mein Sohn – der Sohn,
Den ich als todt so lange schon beweint,
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Lebt noch – und ist – im Lager des Antons.
Sein Leben und die Schmach des Aufenthalts
Hat mir dein Vater kund gethan. Mein Sohn
Kriegt wider mich. In diesem Kampf stößt er
Den Tod vielleicht in diese Brust, die ihn
So zärtlich liebt, und sieht die Thräne nicht,
Die sterbend noch um ihn sein Vater weint.
Vielleicht bestimmet mich der Götter Zorn
Den Unglückseligen, – ihn, meinen Sohn –
Mein Blut, – den Liebsten, ihn zu tödten; – wenn
Ihn, (qualenvoller Trost!) die Rach Antons
Nicht meinem Schwerdt geraubt. – Gebirgen gleich
Drückt diese schwarze Furcht mich. – Ach! wie kränk'
Ich, edler Jüngling, dich! wie mitleidsvoll
Fühlst du des Freundes Gram! Mit Thränen deckt
Dein männlich Antlitz sich.
Marcius.
Furchtbarer Kampf!
Auf mich, ihr Götter! schüttet sie,
Die Wetter eures Grimms! nur diesen Held,
Nur euer Bild verschont.
<Seite 62:>
Brutus.
Gnug, Marcius! –
Sey du nun ganz mein Sohn. – In dir vereint
Sich alle Zärtlichkeit, die in mir glüht.
Du nur kanst mir den kostbarsten Verlust
Ersetzen, und dir ähnlich bildet sich
Mein Geist den mir geraubten Sohn. Von dir
Erfüllt, liebt er das schmeichelnde Phantom.
Hinweg, Gedächtniß, das mein blutend Herz
Zu sehr zerreißt! – Die große Stunde naht
Und ruft zum Kampf. Mit muthger Freudigkeit,
Wie ich zum Wohlthun sonst geeilt, eil' ich
Ins Schlachtfeld hin, für eine Nachwelt noch
Wohlthätig da zu seyn; sieht gleich der Blick
Des Pöbels nur den gegenwärtigen
Verlust, nicht die noch ungeborne Frucht –
Doch sollte mich ein ehrenvoller Tod
Bekrönen: so sey du dann, Marcius,
Für Rom das, was ich mich zu seyn bestrebt.
Vergiß nie das Gebot von deinem Freund.
Verehre deine Pflicht, schwing dich empor
Noch über den gemeinen Helden, dem [Druckfehler]
Der Glanz der großen Thaten folgt, darzu
<Seite 63:>
Erkauft. Uneigennützig sey du groß;
Sey Roms, der Götter und der Menschen Freund.
Schützt ihn, Unsterbliche! den zweyten Sohn,
Den ihr mir gabt; bewacht das himmlische
Gefühl, das ihr in seine Seele goßt.
Die Welt bewundre seinen Ruhm, noch mehr
Sein Herz.
Marcius.
(Er wirft sich ihm zu Füßen.)
Nein! länger nicht vermag ich dir
Zu widerstehn. – O Brutus! – Vater! – Freund! –
Brutus.
Steh auf, es nahn die Senatoren sich.
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