Fünfter Auftritt.
Clerdon, Henley.
Henley (indem er hereintritt, für sich). Ich muß diese
glücklichen Augenblicke nutzen, da er allein ist; wie bald kann
Granville wiederkommen. (Zum Clerdon.) Sie sind tiefsinnig,
Clerdon? ich hatte mich dessen nicht versehn! Ich kam her, ein
Zeuge Ihrer Freude über den Besuch Ihres Freundes, des Granville,
zu sein.
Clerdon. Sein Sie ein Zeuge meiner Verzweiflung. Ich bin
verloren, Freund. Mein Vater ist dahin. Sein Tod ist von den
schrecklichsten Umständen begleitet worden. Granville, dessen zu
sorgsame Freundschaft ihre Erzählung meinen Schmerzen ersparen
wollte, ließ wider Willen Tränen fallen, da er ihrer erwähnte.
Henley. Und diese Nachricht schlägt meinen Freund, den mutigen
Clerdon, so nieder? die Weichlichkeit eines schwachen Granville
teilt sich auch seinem heldenmütigen Geiste mit. Ein
abgelebter Greis muß dem gemeinen Schicksale gehorchen, er wird
zugleich von den Beschwernissen des Alters befreit. Ist dies die
wichtige Ursache Ihrer Verzweiflung?
Clerdon. Wie können Sie meines Schmerzens so spotten! War dieser
ehrwürdige Greis nicht mein Vater? War er nicht so
unerschöpflich gegen mich an Wohltaten, als ich in dem letzten
Zeitpunkte seines Lebens unerschöpflich gegen ihn an
Beleidigungen war? Sie wissen es selbst, mit welcher
Bereitwilligkeit er sein ganzes Vermögen mir zuliebe
aufopferte. Haben nicht meine Ausschweifungen seine Tage
verkürzt? Bin ich nicht sein Mörder, der Mörder meines Vaters –
meines Wohltäters! O Gedanke, der mein Innerstes gleich dem
Donner zermalmt! Welch eine Verantwortung, welch eine Rache muß
meiner erwarten!
Henley. Was reden Sie von Rache und Verantwortung? daß doch die
Vorurteile unsrer tierischen Jahre, auch wenn wir sie ganz
erstickt zu haben glauben, uns so oft überraschen! Fassen Sie
sich, Clerdon, zeigen Sie den Mann, der wie in allem, so auch in
dem, was den Pöbel niederzuschlagen pflegt, über ihn erhaben ist.
Weil Ihr Bezeigen, Ihr so vernünftiges Bezeigen, dem
eigensinnigen Alter Ihres Vaters zuletzt nicht stets gefallen
wollte, so meinen Sie, der Gram hierüber habe seinen letzten Tag
beschleunigt! Nichtige Furcht! ich sollte glauben, der Tod eines
Greises bedürfe keiner so außerordentlichen Ursache. (Nach
einigem Innehalten.) Ich errate die Quelle Ihrer schwermütigen
Besorgnisse. Sie wissen, daß kein Mensch an mehrern Vorurteilen
und unüberwindlichern Aberglauben krank liegt als Granville. Sie
kennen seinen Stolz, seine Lüsternheit, ein Muster zu sein und
die ganze Welt, wäre es möglich, so schwach, als er selbst ist,
zu machen, Sie kennen seine Begierde, über die Gemüter zu
herrschen –
Clerdon. Sie vergessen seine Verdienste, die gewiß seine Fehler,
wenn er auch welche hat, weit überwiegen.
Henley. Ich begehre dies nicht zu leugnen. Indessen wissen Sie
selbst, daß die stolze Art, mit welcher er über Sie eine
Herrschaft behaupten wollte, Sie damals in London nötigte,
seinen Umgang zu fliehen. Itzt kommt er mit einer künstlich
erfundnen rührenden Erzählung von dem Tode Ihres Vaters, sich in
Ihr erweichtes Herz wieder einzuschmeicheln. Gelingt es ihm, so
wird er Ihnen die alten Fesseln wieder anlegen; dann wird er Sie
bereden, nach London zurückzukehren und daselbst als sein
Sklave mit ihm ein finstres, einsames, freudenloses oder, wie er
es nennt, tugendhaftes Leben zu führen.
Clerdon. Sie irren sich; nicht er, sondern mein sterbender Vater
selbst gebeut mir, meine vorigen Grundsätze wieder anzunehmen.
Henley. Und Sie wollen gehorchen, Clerdon? Sie wollen gehorchen?
Granville nennt sich Ihren Freund, und dennoch – ja, ich muß es
sagen, mein Eifer, meine Zärtlichkeit für Sie übermannt mich –
ist er Ihr schädlichster Feind – Schon sehe ich Sie von
Verachtung niedergebeugt herumschleichen, Ihre schüchterne
Augen wagen es nicht, sich von der Erde zu erheben, die Scham
glüht auf Ihrer Wange, und überall verfolgt Sie das Gelächter
des Spottes. Clerdon, wird die Welt sprechen, empfing von der
Natur mit dem edelmütigsten Herzen den durchdringendesten
Geist. Seine herrlichen Vorzüge machten, daß er gar bald die
sklavischen Fesseln des Aberglaubens zerbrach, an die man seine
Kindheit gewöhnt hatte. Er fing an, frei, groß, unpöbelhaft zu
denken. Doch eine plötzliche Veränderung! Sein Vater, ein
abgelebter Greis, stirbt. Eine so gar außerordentliche
Begebenheit mußte freilich den nun wieder frommen Clerdon
rühren. Zahm und gebeugt kehrt er in seine alte Knechtschaft
zurück und wird der Abgott der Einfalt, der Gegenstand des
Mitleidens seiner Freunde und der Spott der Vernünftigen. So
wird die Welt sprechen. Doch ich will Sie von Ihrem glorreichen
Vorhaben nicht zurückhalten. Bald werden Sie das seltne Glück
genießen, wie der gemeinste Verstand zu denken und noch dazu
durch eine Wankelmütigkeit in Ihren Gesinnungen, die
gemeiniglich das prangende Merkmal kleiner Geister ist, sich
eine unsterbliche Bewunderung zu erwerben. Ich wünsche Ihnen
Glück dazu.
Clerdon. Halten Sie ein mit diesem grausamen Spotte; es ist mir
unerträglich, verachtet zu werden – Ja, Sie haben mich von diesem
schimpflichen Schlummer, der meinen Geist bald gänzlich
überwältigt hätte, erweckt; ich will nicht der Spott der Welt
werden – Ich muß es gestehen, Freund, ich war im Begriff – Eine
Unruhe, die mich seit der Änderung meiner Grundsätze öfters
befallen hat und die meine Zaghaftigkeit dieser Änderung
zuschrieb, der Befehl eines sterbenden Vaters, der Schmerz über
seinen Tod, alles bestürmte meine Standhaftigkeit. Schon drohte
sie zu fallen, doch Ihre Reden haben sie mit neuer Kraft
begeistert. Ich bin mir wieder selbst gleich, ich bin würdig, Ihr
Freund zu sein.
Henley. Ich höre jemand kommen, vermutlich ist es Granville.
Ich verlasse Sie; erinnern Sie sich Ihrer Entschlüsse. Rüsten
Sie sich mit unbezwinglicher Stärke gegen seine überredenden
Lockungen. Entweder Sie zerstören itzt auf einmal seine
törichten Hoffnungen, oder Sie sind auf ewig seine Sklave.
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