Dritter Auftritt.
Clerdon.
Clerdon. Ich ihn versöhnen? Raserei wäre es, dies zu hoffen.
Nicht Gnade, nur Verzweiflung wartet meiner – Ich fühle deine
tötenden Gerichte, Ewiger. Ach, unerträglich donnern sie auf
mich herab – und nur zu sehr habe ich sie verdient – Deine beleidigte
Religion ruft dich zur Rache – Sie muß wahr sein, diese Angst,
diese brennende Verzweiflung, die in mir wütet, lehrt es mich –
Ja, sie fallen, die unseligen Hüllen, die meine Augen bisher
gefangenhielten – Graunvoller Anblick! Ganz entdecke ich die
entsetzliche Bahn der Frevel, auf die ich mich verirrte – Wider
eine Religion wagte ich's, mich zu empören, in deren Schoß ich
nichts als Freude und Zufriedenheit genoß! Einen Schöpfer
beleidigte ich verwegen, den ich bisher nur durch Wohltaten
gekannt hatte! Spöttereien über das, was mir das Heiligste hatte
sein sollen, strömten von meinen Lippen – die liebenswürdigsten
Tugenden gab ich für erniedrigende Wollüste auf, und öffentlich –
hier ergreift mich Schauer und Verzweiflung –, öffentlich
erfrechte ich mich, ein Feind Gottes und der Religion zu sein,
öffentlich ihnen den Krieg anzukündigen – Und wie manchen rissen
vielleicht meine unsinnigen Reden zu gleichem Aufruhr fort!
Welch entsetzliches Weh wird die zerstörte Tugend über mich
ausrufen! Welche Verwünschungen müssen sich auf mein Haupt
häufen! Du bist gerächt, Religion; sobald du mich, göttliche
Führerin, verließest, ward jeder Schritt ein Frevel – jede
meiner Taten spricht das Todesurteil über mich aus, jede
fodert eine Hölle – Ich sehe den gräßlichen Abgrund zu meinen
Füßen sich auftun. Ich sehe die Qualen vor meinen Augen sich
verbreiten, die mir die Zukunft aufbehält. Schon rüstet sich
ewige Nacht, mit ihren Schrecknissen mich zu überfallen. Du,
Elend, wirst künftig meine Heimat, du, Verzweiflung, mein
Geschäfte und mein ganzes Empfinden Pein sein. – Tage des
Gerichts, der Rache und des Jammers, ich segne euch entgegen! Ihr
rechtfertigt den Himmel, ihr straft einen Verruchten, den die
Natur mit Entsetzen erblickt. Ihr werdet unsterbliche Qualen auf
mich häufen und doch das Maß der Gerechtigkeit nicht ausfüllen –
Ich höre deine Stimme, fürchterliche Ewigkeit – du rufst mir –
hier empfange dein Opfer (er zieht einen Dolch hervor und will
sich töten) – Doch was tue ich? O Tod! ich wage es, dich zu
wählen! – Schwindelnder Abgrund! – Bewahrer furchtbarer
Geheimnisse! – Wege des Lebens und des Verderbens öffnen sich
hinter deinen Pforten, und die Unendlichkeit ist ihr Maß – ich
wage es, dich zu wählen! ich wage es, mich freiwillig in die Arme
eines allmächtigen Richters zu stürzen? Vernichtender Gedanke!
ewig von ihm gehaßt, ewig mit seinen unerträglichen Gerichten
belastet zu sein! – So muß ich denn leben! – nein, dies kann ich
nicht. Diese nagende Angst, diese namlose Pein vermag ich nicht
zu ertragen – Doch wird sie der Tod enden? wird er sie nicht
verdoppeln? – Ich Elender! wohin kann ich flüchten? Überall ist
Abgrund. Das Leben ist eine Hölle und der Tod auch – Doch
vielleicht ist der Tod Vernichtung – Eitler Trost! Dieses
klopfende Herz, diese Angst, dieser Schauer, alles widerspricht
dir. Ich empfinde es, daß ich zu ewigen Martern geschaffen bin,
daß ein ewiger Richter – Wehe mir! ich sehe ihn kommen – ja, ich
trüge mich nicht, diese furchtbare Herrlichkeit, dieser
verzehrende Glanz, dies Entsetzen der Natur verkündigt ihn.
Wohin entflieh' ich? Unwiderstehliche Schrecknisse rauschen vor
ihm her. Seine Blicke sind Tod. Flammen und Ungewitter toben auf
allen Seiten um mich her – Itzt gebeut er dem Verderben, mich
zu schlagen – itzt ergreift mich sein Donner – o Erde, decke mich
vor ihm! o Vernichtung, komm über mich! –
|