Vierter Auftritt.
Clerdon, Truworth.
Truworth. Entschuldigen Sie meine Verwegenheit, mein Herr, Sie
befahlen mir, Ihre Gegenwart zu meiden, und dennoch wage ich es –
Clerdon. Wer kommt, an meinem Verderben teilzunehmen?
(Nachdem er ihn einige Zeit stillschweigend angesehn.) Bist du es,
Truworth?
Truworth. Die unglückliche Miß Granville, die sich eben itzt
anschickt, diesen Ort zu verlassen, befahl mir, zu Ihnen zu eilen;
Sie befänden sich in traurigen Umständen – Verzeihen Sie mir
meine vorige Unbescheidenheit. Die Übermaß meines Eifers hatte
sie verursacht.
Clerdon. Was soll ich dir verzeihen! O hätte ich deinem
warnenden Eifer Gehör gegeben, anstatt mich über ihn zu erzürnen! –
Doch mir geschah recht; meine Verbrechen verdienten diese
Verblendung – du weinst, Truworth?
Truworth. Was muß ich erblicken? Diese wild herumirrenden Augen,
diese Züge, in denen sich die Verzweiflung und das Bild des
Todes abdrückt – kann der unglückliche Tod Ihres Freundes Ihnen
so unaussprechliche Schmerzen erwecken?
Clerdon. Du siehst noch nicht die ganze endlose Tiefe meines
Elendes. Starres Entsetzen würde dich fassen, wenn du sie
sähest. Kennst du den Mörder des Granville?
Truworth. Ein Unbekannter soll die schändliche Tat vollführt
haben.
Clerdon. So kenne ihn: Ich bin's.
Truworth. Sie – Ihren Freund –
Clerdon. Ja, meinen Freund und noch dazu den besten, den
edelgesinntesten Freund, der bloß hieher gekommen war, meinen
bedrängten Umständen beizustehen und sein ganzes Glück mit mir
zu teilen – Deine tugendhafte Seele wird die abscheuliche Tat
nicht begreifen können – So kenne denn ihren verfluchten Urheber –
Henley – Hätte ich den unseligen Namen nie gehört! – dieser
hatte mich durch die feindseligsten Verleumdungen aufgebracht;
dieser hatte meine Rachbegierde zu einem solchen Grade von
Raserei empört, daß ich Granvillens Leben würde angefallen
haben, und hätten es Heere beschützt – Wundre dich nun nicht
über meine Verzweiflung. Das Blut meines Freundes ruft ein
unaufhörliches Weh über mich. Mein aufgewiegeltes Gewissen
stellt mir auf einmal die schwärzesten Frevel dar. Itzt empfinde
ich, daß die Religion Wahrheit ist, die ich mich zu lästern
erkühnte. Ich empfinde die furchtbaren Gerichte des
Allmächtigen, ich seufze unter der Last seiner strafenden
Rechte; stets sehe ich den Himmel bereit, verheerende Blitze auf
mich herabzuschütten – in der fernsten Zukunft sehe ich eine
unendliche Kette sich häufender Qualen – ich sehe es – und
verfluche mein Dasein.
Truworth. Nicht diese Verzweiflung, mein Herr, nicht diese will
die Langmut des gütigsten Wesens von Ihnen – Reue und
Unterwerfung, dies verlangt es, und dann – ich weiß es gewiß –
dann wird es Sie begnadigen. Ihre Vergehungen, ich bekenne es,
sind groß, der Tod eines unschuldigen Freundes – doch auch
dieser kann vergeben werden – Aber Ihre Sicherheit – Ach,
Menschen sind unerbittlicher als der Himmel ist – vielleicht ist
alles schon ruchtbar, vielleicht schickt man sich schon an –
Clerdon. Ich verstehe dich – was braucht ein Elender, der nichts
zu hoffen hat, auf seine Sicherheit bedacht zu sein? Warum
sollte ich der verdienten Ahndung der Gerechtigkeit zu entrinnen
suchen? Würde wohl die schmählichste Todesart zu viel Strafe für
mein Verbrechen sein? – Doch du, Truworth, höre auf, dein
Schicksal an das Geschick eines strafbaren Herrn zu fesseln.
Fliehe einen Unwürdigen – einen Mörder – Granvillens Tod müsse
dich alles fürchten lehren; auch du bist tugendhaft, auch du
liebst mich. Ist dies nicht genug, dein Verderben von mir zu
erwarten?
Truworth (nach einigem Stillschweigen). Ja – dies ist das
Mittel, Sie zu retten; Dank sei dem Himmel, der es mir eingab! –
Sie sehen, wie wenig Jahre, vielleicht wenig Monate den Rest
meines Lebens ausfüllen müssen. Diese grauen Haare, diese
hinwelkenden Glieder, alles ruft mich zum Grabe. Könnte ich
diesen unnützen, nichtigen Überrest besser anwenden, als Sie,
meinen Herrn und Wohltäter, zu retten und der Welt ein Leben zu
erhalten, das ihr vielleicht noch lange nützlich sein kann. Ich
will zu den Gerichten hineilen und mich als den Mörder des
Granville angeben – Was schadet es, ob auch die Welt glaubt, daß
ich als ein Bösewicht sterbe, wenn nur Gott weiß, daß ich
unschuldig bin! – Tränen der Freude verdunkeln mein Auge; o
mein Herr! mein liebster Herr, (er küßt ihm mit Inbrunst die
Hand) wie glücklich bin ich, daß ich für Sie sterben kann!
Clerdon (indem er ihn umarmt). Nicht weiter, großmutvoller
Truworth, du durchbohrst mein Herz. Wie! so viele heldenmütige
Tugend bei so vieler Niedrigkeit und so dürftigem Glück?
Wahrer, bester Freund, dieser Übermaße von Treue bin ich nicht
würdig. Muß sich denn alles um mich herum in einem so blendenden
Glanze von Tugend und erhabner Gesinnung zeigen? – und ich
allein ein so niedriger und verworfner Frevler sein! – Geh, mein
Freund, geh und mache Anstalt, daß wir diese Stadt sogleich
verlassen; du bist mir viel zu kostbar, als daß ich dich meiner
Sicherheit aufopfern sollte. Ich hoffe, ehe sich noch das
Gerüchte von Granvillens Tod überall verbreitet und ehe der
Argwohn auf mich fällt, weit von diesen unglücklichen Mauern zu
sein.
Truworth (der ihn traurig und nachdenkend ansieht). Soll ich Sie
denn verlassen? – in so heftiger Bewegung – eine schauervolle
Ahndung schreckt mich –
Clerdon. Geh nur und mache alles zu unsrer Abreise fertig, für
mich sei unbesorgt.
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